Donnerstag, Januar 01, 2015

Von Hellsehern und anderen ehrenwerten Menschen

Die Neugierde des Menschen kennt keine Grenzen. Am liebsten würden wir alles wissen, ganz besonders, was uns die Zukunft bringt. Einzige Ausnahme: Niemand will wissen, wann er sterben wird. Das klingt makaber, ist aber von der Natur gut eingerichtet. Wenn jeder von uns von Anfang an seine Lebensspanne kennte! Ein Gedanke, der die ganze Welt auf den Kopf stellen würde. Dieser Sonderfall sei hier ausgeklammert. Bleiben wir bei den einfachen Fragen.

Was wird morgen sein? Was in einem Jahr, in 10, in 100 Jahren? Wird es besser? Wird es schlechter? Drohen Gefahren, oder winkt das große Glück? Das sind die sozusagen menschlichen Fragen. Aber dann gibt es noch übergeordnete Fragen. Die werden von Politikern gestellt und von anderen bedeutenden Persönlichkeiten – Konzernlenkern und so.

Alle wollen so gut wie alles wissen. Dieser offensichtlich unwiderstehliche Wunsch hat die unterschiedlichsten Berufe hervorgerufen.

Am Anfang war der Hellseher. Der war meist eine Frau, also eine Hellseherin. Dieser Hinweis ist der Political „Correctness“ geschuldet. Schon bei den „alten Griechen“ kam das vor und beschränkte sich schon damals nicht auf das Persönliche.
Dass die Hellseher oft schwarz sahen und drohendes Unheil verkündeten, sei nur am Rande vermerkt. Heute ist das etwas anders: Selbst für Politiker und Wirtschaftsmogule werden gelegentlich glückliche Zeiten geweissagt. Es kommt ganz darauf an, welchen Auftrag sie erteilt haben. Damit zum professionellen Teil der Hellseherei.

Die unterschiedlichsten Berufe haben sich in diesem Bereich entwickelt: Glücks-forscher, Politikwissenschaftler, Entwicklungspsychologen. Eine ganze Industrie ist entstanden. Es gibt sogar Denkfabriken (Think Tanks). die uns aus unserer Gegen-wart in die Zukunft hinein phantasieren.

Alle diese Leute wollen ihr Brot verdienen. Darum denken sie sich die tollsten Dinge aus. Diese Leute sind wirklich klug. Sie nennen sich nicht, wie es sich gehörte, Hellseher, sondern Zukunftsforscher. Sie sehen nicht hell  – sie machen Prognosen. Frage: Ist Prognostiker eigentlich schon als Berufsbezeichnung registriert?

Es gibt viele Witze über Prognosen, und ich habe das Gefühl, wir sollten sie alle ernst nehmen.

Wir sehen ja nicht mal klar, wenn wir zurückblicken. Was wir in unserer Ver-gangenheit entdecken, hat oft mit der Wirklichkeit nicht allzu viel zu tun. Und da wollen wir in die Zukunft schauen? Die ist ja noch nicht Wirklichkeit, sondern nur eine Prognose. 01. 01. 2015