Donnerstag, Januar 15, 2015

Anstiftung zum Denunzieren

Auf den tragischen Überfall auf Charlie Hebdo wird von der Politik, wie zu erwarten, hysterisch reagiert. Innenminister de Maizière hat zur Wachsamkeit aufgerufen.

„Wir müssen sorgsam sein“, sagte er. „Wir haben Radikalisierungsprozesse in Deutschland, bei denen sich Personen äußerlich und innerlich bis hin zu ihren Essensgewohnheiten verändern“, fährt er fort. Da ist die Wachsamkeit der Bürger, der Familien, der Nachbarn, der Sportfreunde oder Mitgläubigen in den Moscheegemeinden wichtig und richtig.“ Natürlich sollen wir nicht jeden, „der mit einer Kapuze im Dunkeln herumläuft, verdächtigen“ – so der Herr Innenminister.

Donnerwetter, da wissen wir jetzt ja Bescheid. Kapuze im Dunkeln? Verdächtig. Aber nicht jeder. Kapuze tagsüber. Unverdächtig, oder vielleicht doch? Wenn ein Übergewichtiger seine Essgewohnheiten ändert, Diät macht und abnimmt – verdächtig oder nicht? Mit Übergewicht kämpft es sich schlecht. Also erst abnehmen und dann ab ins Kalifat? Könnte doch sein, oder? Wird man mich verdächtigen, weil ich viel zu selten zum Friseur gehe und deshalb mal so, mal so sehr unterschiedlich aussehe? Ja, und dann erst die innerlichen Veränderungen, auf die wir nach Herrn de Maizière achten sollen. Wie stelle ich die bei einem äußerlich unverdächtigen Menschen fest?

Was hier so albern klingt, ist ernst zu nehmen. Herr de Maizière fordert uns zum Denunziantentum auf. Da ist es fast eine lässliche Sünde, wenn er die Wieder-einführung der Vorratsdatenspeicherung und eine europaweite Erfassung von Flugdaten für nötig erklärt. Geholfen hat diese Datenspeicherung in Frankreich nicht.
(Zitate: SPIEGEL ONLINE, 11. Januar 2015, 11:30 Uhr)