Freitag, Mai 19, 2006

"Er ist die Mutter aller Maßstäbe"*

Mensch, Wilfried Minks, ausgerechnet Du – ausgerechnet Du musst das sagen, einer der besten Bühnenbildner und Regisseure! Ich hoffe, es war nur ein Ausrutscher, weil Du einfach drauflos gratuliert hast zum achtzigsten Geburtstag von Peter Zadek.

Der Peter Zadek eine Mutter? Das kannst Du doch nicht ernst gemeint haben. Vater aller Maßstäbe wäre ja noch gegangen. Aber auch das wäre missratene Sprache. Maßstäbe haben keine Väter.
Ich habe den Verdacht, auch Du bist Opfer einer unglückseligen Entwicklung. Wir verlernen zunehmend das sprechen und beherrschen das Plappern umso besser.

Das mit „der Mutter von diesem und jenem“ begegnet uns immer häufiger. Meist geht es um „Ursprung“, aber das klingt so dröge, nicht wahr?

Das mit dem Nachplappern ist zur Seuche geworden. „Pferdeflüsterer“ ist ohne Frage ein originelles Wort, eine originelle Bezeichnung von Monty Roberts, der sich auf Pferde so gut wie wohl kaum ein Mensch versteht. Inzwischen gibt es alle möglichen Flüsterer. Will hoffen, dass sie uns zumindest in der Politik keinen Unsinn einflüstern.

„Der mit dem Wolf tanzt“, der Film mit Kevin Kostner. Seitdem tanzen alle möglichen Leute mit allem möglichen.

„Nicht ohne meine Tochter“, Betty Mahmoodis Bestseller. Seitdem ist „Nicht ohne…“ unerträglich geworden – nicht ohne dies und das und jenes.

Was steckt hinter diesem um sich greifenden Unsinn? Denkfaulheit. Der Hang zum Fast-Food-Deutsch. Mit billiger Wortmünze zahlen.

Dieser Sprachmissbrauch hat offenbar jetzt auch die Anspruchsvollen wie Wilfried Minks erreicht. Es ist zum verzweifeln.

Wilfried, komm zu Dir!

Es grüßt Bullerjahn

* DIE WELT, 19. 05. 2006 – Gratulation zu Peter Zadeks 80. Geburtstag