Donnerstag, November 10, 2016
Unsere Sprache ist reich und
großzügig. Sie bietet uns unendliche Möglichkeiten, unsere Beobachtungen und
Gedanken auf originelle Weise in Worte zu kleiden – mit ganz alltäglichen
Wörtern und gerade deshalb überraschend und begeisternd.
Ist es nicht schön, statt
Talkshow „Plapperprogramm“ zu sagen,
oder eine TV-Seifenopernserie „Singsang-Serie“
zu nennen? Oder „himmelblau dumm“ und
„laborkittelernst“? Und dann noch „Hoolygänse“. Man muss nicht in unsere
Sprache vernarrt sein, um sich daran zu erfreuen.
Man muss auch kein Liebhaber
unserer Sprache sein, um Wörter wie „postfaktisch“
schrecklich und dazu noch unverständlich zu finden. Aber man darf überrascht
sein, wenn man erfährt, wer dieses Wort in die Welt gesetzt hat: Frau Angela
Merkel, Kanzlerin unserer Bundesrepublik. Das macht die Sache nicht besser,
sondern eher schlechter. Denn was ist gut an „postfaktisch“? Ehrlich gesagt:
nichts.
Frau Merkel meinte, dass wir in
einer Zeit leben, in der Gefühle mehr als Tat-sachen den Gang der Dinge
bestimmen. Aber warum sagt sie das nicht? Warum spricht sie nicht so, dass es
jeder versteht? Und warum wird dieses Unwort in den Medien ohne Ende
nachgeplappert? Faulheit? Gedankenlosigkeit? Über-heblichkeit über die
„bildungsfernen“ Menschen hinweg?
Frau Merkels Ansicht ist nicht zu
widersprechen. Nur neu ist sie nicht, wenn auch aktuell, wie Brexit vor Kurzem
und die US-Präsidentenwahl gestern zeigen. Und das sind nur zwei Beispiele von
vielen, die uns zu schaffen machen. Appellieren Marine Le Pin, die Herren Orban,
Jaroslaw Kacsyński, Geert Wilders an den Verstand? Na bitte!
Wie heißt es so zutreffend?
„Flattert erst mal die Fahne, ist der Verstand in der Trompete.“
So kommt man vom Wort auf die
Politik. „Postfaktisch“ war schon immer. Nur das hässliche Sprachetikett ist
neu. Da hat Frau Merkel daneben gegriffen.
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