Dienstag, Oktober 11, 2016

Märchenstunden

Neuerdings machen Politiker zunehmend Gebrauch von dem schönen, alten Wort Erzählung. Sie dürften ihren Grund haben.

Erzählungen haben etwas Märchenhaftes an sich. Wirklichkeit und Fantasie vermischen sich. Man weiß nicht genau, wo das Eine anfängt oder das Andere. Das macht den Reiz der Erzählung aus.

Warum aber sprechen Politiker plötzlich davon, dass sie uns Bürgern Erzählungen anbieten müssten, damit wir ihre Gedanken verstehen, ihnen folgen können und uns für ihre Ideen begeistern – warum?

Vielleicht hat die Politik etwas falsch verstanden. Die Parteien verstehen sich als Unternehmen. Ihre Überzeugungen betrachten sie als Produkte. Und die wollen sie verkaufen. So kommt es, dass sie wie Konzerne Marketing betreiben. Sie verstehen sich selbst als Marke,  sprechen von ihrem Markenkern. Politik als Geschäft – nicht als Aufgabe? 

Es ist das gute Recht eines jeden Politikers, seine Ziele und Pläne immer etwas hübscher darzustellen als sie es wirklich sind. Das gehört zum Geschäft, und das wollen wir keinem Politiker übel nehmen, verbieten schon gar nicht. Aber  Politik als Erzählung? Politik als Märchenstunde? Wollen wir das wirklich zu-lassen?

Nein! Aus dem politischen Kindchenalter sind wir doch längst raus. Also: keine Erzählungen und schon gar keine Märchen. Klipp und klar sagen, was Sache ist, worum es geht und warum, den notwendigen Klacks Sahne drauf, damit schmeckts. Das müsste doch gehen zwischen Politiker und Bürger.