Freitag, August 12, 2016
Wenn Terroristen sich auf Gott berufen, wächst
die Skepsis gegenüber dem Glauben. Was zu tun ist.“ Heinrich Bedford-Strohm,
Ratsvorsitzender der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland).
Mit dem Hinweis auf das „Was zu
tun ist“, nimmt sich Herr Bedford-Strohm viel vor. Wird er es wirklich wissen?
Glücklicherweise geht er mit seiner Glaubensgemeinschaft, der Evangelischen
Kirche in Deutschland, kritisch um. Das lässt hoffen.
Die Einleitung ins Thema
überzeugt. Da ist von Recht und Gerechtigkeit die Rede, und dass diese Begriffe
„schon in den ältesten Texten der Bibel eine zentrale Rolle spielen.“ Und
weiter: „Herrschaft des Rechts heißt, dass nicht diejenigen das letzte Wort
haben, die andere Worte mit Gewalt ersticken; es heißt, dass die Starken an
Regeln gebunden sind, von denen auch die Schwächsten profitieren.“ Einige
Zeilen danach: „Die Kirche weiß aus eigener Geschichte, wie wichtig es ist,
dass dem Begriff des ‚Rechts‘ der Begriff der ‚Gerechtigkeit‘ zur Seite steht.“
Diese beiden Begriffe stehen sich
aber nicht zur Seite, sie stehen oft im Widerspruch zueinander. Das stellt auch
Bedford-Strohm fest. „Formal eingehaltenes Recht kann zum Unrecht werden, wenn
Gerechtigkeit fehlt“, sagt er. Die
nationalsozialistische Rechtssprechung, die jüdischen Mitbürger betref-fend,
ist eins der scheußlichsten Beispiele dafür.
Bedford-Strohm hat fünf
Kritikpunkte, er nennt sie Grundansätze, herausgearbeitet:
Erstens die Berufung auf Gott. George W. Bush 2004: „Ich glaube,
dass Amerika berufen ist, die Sache der Freiheit in ein neues Jahrhundert zu
führen.“ Freiheit sei „das Geschenk des allmächtigen Gottes an jeden Mann und
jede Frau in der Welt.“ Das Ergebnis: Krieg, Mord und Totschlag.
Zweitens die Berufung auf das „christliche Abendland“. Dazu hat der Historiker Michael Brennern
gesagt: „Für uns Juden war Europa nicht das Straßburger Münster und der
Spiegelsaal von Versailles, sondern Inquistion, Kreuzzüge, Pogrome und die
Gaskammern von Auschwitz.“ „Kulturelle Demut ist die einzige christlich
angemessene Antwort auf diese Einsicht.“ – so Bedford-Strohm.
Drittens die „multikulturelle Gesellschaft“. Angestrebt wird ein
friedliches Zusammenleben der
Religionen. Mehrheit und Minderheiten sollen sollen sich gegenseitig
achten. Hier gibt es Schwierigkeiten, angefangen bei
Familienauseinandersetzungen. „Nebeneinander in homo-genen Subkulturen zu leben
ist jedenfalls keine Lösung.
(Bedford-Strohm) Wie das Miteinander zu erreichen ist? Es bleibt bei der
Frage. Versuch einer Antwort: Das Problem können nur Menschen lösen, nicht
Institutionen.
Viertens die „Religion als Privatsache“. Wenn der Staat
weltanschaulich neutral sein will, muss er religiöse und nichtreligiöse
Ansichten und Standpunkten gleichermaßen zulassen. „Die Privatisierung von
Religion fördert nicht Toleranz und Offenheit, sondern hemmt und verhindert sie
sogar.“ (Bedford-Strohm) Die USA geben hier ein schlechtes Beispiel.
Fünftens die „öffentliche Religion“. Gemeint ist
„Religionsunterricht an Schulen und öffentlich finanzierte Lehrstühle für
christliche, jüdische und islamische Theologie sind daher Aktivposten für ein
friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft.“ Ich verstehe das so: Gleiches
Recht für alle. Gleiche Pflichten für alle. So einfach ist das und zugleich so
schwierig.
Wir müssen nicht alle Menschen
lieben. Aber wir müssen ihnen die gleichen Rechte einräumen, die wir für uns in
Anspruch nehmen. Und genau das dürfen wir auch von ihnen verlangen. Geben und
nehmen gehören zusammen.
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