Montag, August 08, 2016

Übermenschen


Die Geschichte, die  ich hier notiere, hat im ZEITMAGAZIN 33 vom 4. August einen anderen Titel: „Papa mobil“.

Sie berichtet einfühlsam über das Problem der Herren Gabriel, Gröhe, Habeck und Schröder, Job und Familie unter einen Hut zu bekommen, genauer: Politiker und Vater zugleich zu sein. Das gelingt nach Auskunft der vier Herren nur unvollkommen. Nicht die Arbeit, die Politik kommt zu kurz, sondern die Töchter und die Söhne. Sie wissen das und können es offensichtlich nicht ändern. Wie traurig sie das finden, sagen die folgenden Zitate:

Sigmar Gabriel – „Wenn meine Frau erzählt, dass meine Tochter, wenn sie mich im Fernsehen sieht, mich am Bildschirm streichelt, finde ich das traurig.“ Hermann Gröhe – „Dass mein Blick immer, auch bei privatesten Dingen, auf meinen Kalender fällt, ist für meine Familie sicher eine Belastung.“ Ole Schröder – Ich vermisse meine Kinder am Montag mehr als am Freitag. Es ist alarmierend, wenn man merkt, dass die Bindung dann eine andere ist.“ Robert Habeck – Ich verpasse Elternabende, ich verpasse die Handballspiele meiner Söhne, ich bin bei gemeinsamen Aktionen nie dabei.“

Ja, ich finde das auch traurig. Ich weiß, wovon die Rede ist. Ich war selbst fünf Jahre Wochenendvater. Und ich weiß heute noch nicht genau, was meinen Söhnen und mir dadurch entgangen ist. Dass wir trotzdem eine glückliche Familie sind, ist mir wohl am wenigsten zu verdanken.

Natürlich könnte man jetzt sagen: Die Herren haben sich ihre Probleme selbst eingebrockt. Aber: Wenn Herr Gabriel für zweieinhalb Tage alle Termine absagt, weil seine Tochter Scharlach hat, muss man dann gleich so gemein sein und schreiben: „Unfassbares Verhalten. Dann darf er keinen Ministerposten bekleiden!“ Oder: „… Die haben sich die Arbeit ja ausgesucht.  Und wenn man sich so eine Aufgabe wählt, sollte man auch den Preis zahlen.“ Nein, ich finde das und auch hämische Bemerkungen in der Presse billig und unanständig.

Wenn Sie jetzt fragen, was das alles mit der Überschrift „Übermenschen“  zu tun hat, dann muss ich gestehen: nichts. Sie werden aber gleich sehen, dass ich Sie nicht an der Nase herumführen wollte. Mir ist im ZEITMAGAZIN-Bericht etwas aufgefallen, das Erklärung dienen sollte, mehr so als Hintergrund.  Ich meine das"eng getaktete  Arbeitsprogramm der Politiker.Das hat mich beschäftigt.

Herr Gabriel muss morgens den chinesischen Handelsminister treffen, dann interne Gespräche führen, ein Gasturbinenwerk in Berlin besichtigen, einer Integrationskonferenz der SPD-Fraktion vorsitzen, zu einer Parteiveranstaltung nach Magdeburg reisen, dann an einer Talkrunde in Berlin teilnehmen. Muss er? Macht er!

Oder Herr Gröhe: Sieben Termine in 14 Stunden gibt ihm sein Büro als Tages-pensum vor.  

Oder Herr Schröder: Der erste Termin morgens um acht oder früher, der letzte abends um zehn.

Und Herr Habeck: Kurze Rede in irgendeinem Kulturzentrum, Interview in SAT 1 zur Energiepolitik, Telefonat mit der Parteizentrale, Besuch auf einem Bauern-hof und noch ein Interview.

Kein Wunder, dass alle ein volles Programm haben, Tag für Tag, bis zu 80 Stun-den die Woche. Aber nicht einmal das ist das Problem. Das wirkliche Problem: Kein Mensch kann zig unterschiedliche Aufgaben im Stunden- oder Minutentakt Tag für Tag lösen – es sei denn, er sei ein Genie. Diesen Anspruch erheben, soviel ich weiß, nicht einmal unsere Ministerinnen und Minister.

Die Hetze von Termin zu ´Termin, von Thema zu Thema lässt keine Zeit – weder zum Vor- noch zum Nachdenken. Das hat Folgen. Den Entscheidern wird von Unterentscheidern und Unterunterentscheidern zugearbeitet? Die Entscheider müssen nicht alles selbst denken, es wird vorgedacht? Das ist zu vermuten. So stellt sich die Geschichte von Übermenschen als Märchen heraus. Und auf diese Weise wird so vieles in der Politik Murks. Wen wundert’s? Nicht nachgedacht, aber gemacht. 

Randbemerkung: Herr Gröhes Berliner Dienstwohnung liegt nur 200 Meter Luftlinie, knapp fünf Minute von seinem Ministerium entfernt. Trotzdem benutzt er für diesen Weg seinen Dienstwagen. Was soll man dazu sagen?