Freitag, August 05, 2016
Die Europäische Union. Das große Thema, seit sich die Briten für
„Leave“ entschieden haben. Europa war auch vorher schon ein großes Thema. Nur
sprach niemand darüber – und wenn doch, dann hinter verschlossenen Türen. Das
ist nun anders.
Das reinste Tohuwabohu. Jeder schimpft über jeden. Alle haben schuld.
Keiner hat schuld. Wenn etwas schief läuft, sind es die anderen. Wenn etwas gut
läuft, ist man es selbst. Es ist erstaunlich, wie viel Unfug 28 Staaten und
eine Kommission zustande bringen und wie sie sich die Brocken vor die Füße
werfen. Und über 500 Millionen europäische Bürger sehen fassungslos, sehen
ratlos zu. Vor allem aber: Sie tun nichts. Das muss Gründe haben.
Können sie nichts tun? Wollen sie nichts tun? Was ist los? Da haben sich
28 demokratische Staaten zusammengetan und ihre Zusammenarbeit ist auch eini-germaßen
demokratisch, schließlich gibt es ein Europaparlament. Das wird alle fünf Jahre
gewählt.
Dumm ist nur, dass sich immer weniger Bürger an dieser Wahl beteiligen.
1979 waren es durchschnittlich 63 Prozent, 2009 nur noch 43 Prozent. Den
Negativ-rekord stellte 2004 die Slowakei mit knapp 17 Prozent auf. Das ist kein
Grund für Pfuirufe. Europa ist einfach zu weit weg. Bratislawa ist näher als
Brüssel.
Aber das ist es nicht allein. Möglicherweise ist etwas ganz anderes
viel wichtiger. Wissen wir eigentlich, welche Parteien sich im Europaparlament zu
Fraktionen zusammenfinden? Und wenn wir es wüssten, würden wir sie dann wählen?
Nehmen wir der Einfachheit halber unsere Bundesrepublik. Da haben wir
die Union (CDU/CSU), die SPD, die FDP, DIE GRÜNEN, DIE LINKE und noch ein paar
andere, neuerdings auch die AfD. Alles einigermaßen übersichtlich. Wir kommen
mit der Wahl unseres Parlaments, des Bundestages, ganz gut zurecht, auch wenn
es oft schwierig ist, sich zu entscheiden.
Im Europaparlament sieht die Sache anders aus. Da finden wir
Fraktionen, die uns einigermaßen ratlos machen. Wer hat sich da
zusammengeschlossen?
Hier einige Beispiele:
EVP – Christdemokraten, Konservative
S&D – Sozialdemokraten
EKR – Konservative, EU-Skeptiker
EFDD – EU-Skeptiker, Rechtspopulisten
ENF – Rechtspopulisten, Rechtsextreme
Grüne/EFA – Grüne, Regionalparteien
Alles klar? Nein. Da geht offenbar so manches durcheinander. Bis auf
eine Ausnahme: die Sozialdemokraten. Aber bei den Konservativen gibt es schon
zwei Fraktionen wie bei den Rechtspopulisten.
Was heißt das? Im Zweifelsfall: Ich habe keine Ahnung, mit wem sich die
von mir gewählte deutsche Partei zu einer Fraktion im Europaparlament
zusammentut. Weiß ich, ob die Konservativen aus Polen, aus Tschechien, Ungarn
die Ansichten teilen, die die Union (CDU/CSU) hat? Könnte diese Unsicherheit
ein Grund für die geringe Wahlbeteiligung sein?
Sollte das so sein – es gibt bestimmt noch andere und vermutlich
wichtigere Gründe. Die Arbeit des Bundestages ist sicherlich nicht das, was
jeden von uns jeden Tag interessiert. Berlin ist – im übertragenen Sinne - doch
sehr weit weg von unserem Alltag. Wie viel größer ist die Entfernung zum
Europa-Parlament!
Lässt sich das ändern? Und wer sollte es tun? Die Parlamente, die
Politik also, oder die Bürger, oder beide? Vielleicht sollten die Politiker,
die Parlamentarier, weniger politisch denken und die Bürger dafür politischer.
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