Sonntag, August 07, 2016
„Opposition ist Mist.“ Diese
Aussage von Franz Müntefering ist gründlich missverstanden worden – von der SPD
und von Herrn Müntefering selbst.
Opposition ist nicht Mist.
Opposition ist notwendig. Irgendjemand muss ja schließlich verhindern, dass
eine Regierung zu viel Mist macht. Natürlich ist das eine undankbare Aufgabe.
Aber sie muss erledigt werden.
Keine Frage: Regieren ist
reizvoller. Aber nur dann, wenn man auch wirklich regieren kann, wenn man das
Sagen hat. Mitregieren ist kein wirkliches Regieren, es sei denn die Partner
sind verwandte Seelen. Das kann man von der Union und der SPD nicht sagen.
Im letzten Wahlkampf hat man sich
geprügelt wie die Kesselflicker. Standpunkte und Ansichten waren so
unterschiedlich wie nur irgendwas. Und dann das Missverständnis. Die SPD
entschied sich fürs Mitregieren. Den Unterschied zwischen Regierungspartei und
Mitregierungspartei hat die SPD nicht begriffen.
Und jetzt der Katzenjammer:
Alles, was die SPD in die Regierungsarbeit einbringt, nimmt die Union für sich
in Anspruch. Das braucht sie gar nicht. Mann und Frau auf der Straße sehen das
sowieso so. Die SPD: beleidigt und ratlos, aber selbst schuld.
Die SPD hat ihre Seele verloren.
Sie weiß selbst nicht mehr, wer sie ist. Ein aktueller SPIEGEL-Artikel titelt:
„Wofür stehen wir eigentlich?“ Ja, wofür?
Ihren Anfang nahm die SPD vor 150
Jahren als Partei des „kleinen Mannes“, die für den Arbeiter, den Proleten, die Underdogs
kämpfte. Und heute? „Der kleine Mann“ heute ist nicht mehr nur der Arbeiter von
gestern. Jeder Einzelne, ob Mann oder Frau, ob im Büro, im Callcenter, an der
Universität als „befristeter“ Professor, gehört dazu. Und wen wundert es, wenn
sich alle so hilflos klein fühlen und so verlassen, wenn wir sehen, wie sie
entwertet wurden? „Vor 40 Jahren verdiente
ein Vorstand im Schnitt 30-mal so viel wie ein durch-schnittlicher
Angestellter, heute ist es 350-mal so viel.“ („Wut ist gut“, SPIEGEL-Gespräch
mit Robert B. Reich, Ausgabe 32/2016 vom 5. August 2016.) Von sozialer Gerechtigkeit, kann hier kaum die
Rede sein, dabei ist sie das Gründungsthema der SPD.
Die Sonne bringt es an den Tag,
heißt es. In Wirklichkeit ist es die Sprache. Die SPD habe ihren Markenkern
verloren, wird gesagt. Das schreit zum Himmel und erklärt vieles. Die SPD als
Markenartikel vermarkten wie Ferrero Küsschen, Snickers oder Kinder-Schokolade?
Dass andere Parteien sich genauso daneben benehmen, kann keine Entschuldigung
sein.
Das SPD-„Volk“ zur Sache: „Der
Parteivorsitzende der Sozialdemokraten dürfe kein Regierungssoldat sein.“
„Vizekanzler zu sein und gleichzeitig das sozialdemokratische Profil zu
schärfen, das kann nicht funktionieren“. „Es müsse endlich Schluss sein mit der
Großen Koalition“. (Zitate aus dem SPIEGEL-Artikel)
Ist das so schwer zu begreifen?
Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzender – das passt nicht zusammen. Jedenfalls
dann nicht, wenn unter Wirtschaft nur Unternehmen, Globalisierung, Shareholder
Value usw. verstanden wird und der Mensch nicht zählt.
Müssen wir damit einverstanden
sein? Nein. Wenn die SPD jetzt nicht aufsteht, dann kann sie sich vergessen.
Opposition ist wichtiger als Mitregieren. Die SPD hat das schon einmal
bewiesen. 1933 war sie die einzige Partei die dem „Ermächtigungsgesetz“
widersprochen hat. So viel Mut braucht die Partei heute nicht. Aber es ist
höchste Zeit, wieder zu sich selbst zu
finden. Das kann doch nicht so schwer fallen.
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