Sonntag, November 08, 2015

Spitzfindigkeiten

In seinem Beitrag „Wie die AfD an Björn Höcke leidet“ (DIE WELT 31. 10. 2015) wirft Günther Lachmann mit allen möglichen Begriffen um sich, denen wir alle nicht zum ersten Mal begegnen und die uns deshalb geläufig sind. Das bedeutet nicht, dass wir sie verstanden haben. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir üblicherweise über diese Begriffe eilig hinweglesen und uns nichts oder nur wenig dabei denken. Wie zu sehen sein wird, ist das auch recht mühselig.

Der Autor bezeichnet den Herrn Höcke, den lautstarken AfD-Politiker, als „nationalkonservativ“. Was heißt nationalkonservativ? Fangen wir mit konservativ an. Da geht es ums Bewahren von Auffassungen, die für so wichtig gehalten werden, dass sie erhalten werden sollten. Das sieht rückwärtsgewandt aus, muss es aber nicht sein. Allerdings scheint gerade in der Politik die Versuchung groß zu sein, sich möglichste jeder Veränderung zu widersetzen. Was ist gemeint, wenn dem Konservativen das Nationale angefügt wird? Ist das nur ein Zurück zur Kleinstaaterei? Ist Nationalismus gemeint, die Verherrlichung des eigenen Staates? Oder vielleicht sogar Nationalsozialismus? Das, was dieser Herr Höcke von sich gibt, legt diese Möglicheit nahe.

Springen wir zum Begriff „linksliberal“, denn der Autor schreibt vom „gewachsenen Selbstverständnis einer linksliberal geprägten Gesellschaft“ und meint damit offenbar uns. Hier werden wieder zwei Wörter zusammengeklebt, was das Verständnis besonders erschwert. Liberal, liber, frei sehen die Liberalen vor allem als Freiheit gegenüber dem Staat. In Zeiten des Absolutismus verständlich. Aber diese Zeit liegt hinter uns. Heute geht es mehr um die Freiheit der Wirtschaft, zu tun und lassen, was dem Profit dient bzw. ihn behindert. Weitgehend ungehemmter Kapitalismus etikettiert sich mit dem Label „liberal“. Das ist schwer erträglich, auf die Dauer unerträglich.

So hängt im Begriff „linksliberal“ das Teilchen links ziemlich in der Luft. Was heißt links? Und wenn das Liberale links sein kann, kann es dann auch rechts sein? Von „rechtsliberal“ war bisher nichts zu lesen.

Ungereimtheit folgt auf Ungereimtheit. Da ist von Jungkonservativen die Rede, „deren Denken um Begriffe wie Volkstum, Lebensraum und Volksgemeinschaft kreiste“. Nicht nur „Das Dritte Reich“ lässt hier grüßen. DIE ZEIT soll in einem Beitrag zu diesem Herrn Höcke geschrieben haben, dass der sich auf eine Konservative Revolution beruft, die „individuelle Freiheiten, die Vielfalt von Lebensstilen, gar ‚kulturfremde‘ Zuwanderung“ von vornherein als „eine Bedrohung und einen Ausdruck von Verfall“ beurteilt, verurteilt. Konservative, Jungkonservative – wie wäre es mit Altkonservativen, Erzkonservativen, Konservativkonservativen? Der Gipfel wären die Liberalkonservativen. Doch, auch das ließe sich noch steigern in Linksliberalkonservative. Das Ganze ein Spielchen mit ungefähren Begriffen, die alles oder auch nichts bedeuten und ganz nach Belieben so oder auch so gewendet werden können.

Schluss mit den Spitzfindigkeiten! Geben wir der Vernunft und damit der Ehrlichkeit eine kleine Chance. Wenn also irgendwo der Nationalsozialismus drinsteckt, dann sollten wir das sagen und nicht unter dem Begriff „nationalkonservativ“ verstecken. Dies nur als kleines Beispiel. 04. 11. 2015