Montag, Oktober 26, 2015

Im Eifer des Gefechts

Im Eifer des Gefechts legt man nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Das ist einfach nicht möglich. So geht es sicherlich auch der Tageszeitung. Sie arbeitet ständig unter Zeitdruck. Der nächste Tag wartet nicht. Er droht nicht nur, er kommt.

Dieser Zeitdruck führt immer wieder zu Ungenauigkeiten. In der Eile stellt sich das treffende Wort nicht ein. Und dann passiert es. Plötzlich steht da ein falsches Wort. Aktuelles Beispiel: der Titelseiten-Aufmacher der WELT vom 22. Oktober 2015. – „Wütende Flüchtlinge zünden ihre Zelte an.“

Auf den ersten Blick stimmt das. Flüchtlinge haben ihre Zelte angezündet. Sie waren auch wütend. Vor allem aber waren sie verzweifelt. Ihre Verzweiflung äußerte sich dann in Wut. Deshalb hätte es heißen sollen, hätte es heißen müssen: „Verweifelte Flüchtlinge zünden ihre Zelte an.“

Korinthen-Kackerei? Nein, ganz bestimmt nicht. DIE WELT selbst bringt den Beweis auf ihrer Seite 5. Da heißt es: „Verzweiflung schlägt in Wut um.“

Was nun ist an der offensichtlich falschen Wortwahl so schlimm? „Wütende Flüchtlinge“ werden mit großer Wahrscheinlichkeit von vielen Menschen als undankbare Flüchtlinge angesehen, so nach der Denke „Kaum sind die hier bei uns in Sicherheit, schon stellen sie Ansprüche und benehmen sich…“ – ja wie unserer rechtsextremen Brandstifter. Aber das sind ja unsere Leute. Für die muss man Verständnis haben. Nein, das müssen wir nicht.

„Verzweifelte Flüchtlinge“ würde zu ganz anderen Gedanken führen, die sich damit beschäftigen, wie den Flüchtlingen und damit tatsächlich auch uns zu helfen ist.

Ich werde den Verdacht nicht los, dass DIE WELT hier ein unsauberes Spiel spielt, Aufmacher auf Krawall bürstet, egal, was es kostet. So titelte DIE WELT in ihrer Ausgabe vom 17. Oktober „Flüchtlinge kosten bis zu 30 Milliarden Euro pro Jahr.“ und schrieb dann im Verlauf des Textes, dass es sich um Spekulationen handelt. Ich fand das nicht ehrlich und notierte: „Deutschlands Rechtsaußen werden sich die Hände gerieben haben.“ 23. 10. 2015 Morgen werde ich der WELT-Redaktion meine Kommentare zum 17. und 22. Oktober schicken mit der Bitte, sich dazu zu äußern. Das habe ich getan, am 24. Oktober. Eine Antwort habe ich bis zum 26. Oktober nicht bekommen.