Samstag, Oktober 24, 2015

Mutmaßlich

Eins steht außer Frage: Frank S. hat Henriette Reker niedergestochen. Dafür gibt es Zeugen, und er selbst hat die Tat auch zugegeben, sogar begründet. Trotzdem ist immer wieder vom mutmaßlichen Täter die Rede. Haben wir es hier mit Dummheit zu tun oder mit Feigheit?

So dumm können Journalisten eigentlich nicht sein. Also müssen sie feige sein, werden Angst haben. Aber Angst wovor? Ich vermute, vor den Juristen der Verlage, Fernseh- und Rundfunkanstalten. Ich kann mir nur denken, dass sie den Journalisten eingebläut haben: „Sprecht niemals von Tätern, solange die nicht verurteilt sind. Dann seid ihr auf der sicheren Seite, und das erspart uns eine Menge Ärger und Arbeit.“

Man könnte das Vorsicht nennen. Ích bleibe bei Feigheit. Und ich ärgere mich darüber, weil hier Tatsachen, Gewissheiten, falsch dargestellt werden, und das ist Murks, für den sich jeder Journalist zu schade sein sollte.

Natürlich ist immer wieder Vorsicht geboten. Aber das weiß jeder gute Journalist, und er wird schon genau hinsehen. Wenn bei einer Ausein-andersetzung ein Mensch zu Tode kommt, dann kann es sich um Mord oder aber um Totschlag, vielleicht sogar um ein Unglück handeln, das ohne Absicht herbeigeführt wurde. Da wird jeder gewissenhafte Berichterstatter den Täter nicht gleich als Mörder bezeichnen.  Alles klar jetzt? 22. 10.  2015