Sonntag, Oktober 18, 2015

Gut gerüstet

In einem umfangreichen Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – Ausgabe 15. Oktober 2015 – fragt Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages: „Ist das Parlament in der Außenpolitik ohnmächtig?“ und gibt gleich die Antwort: „Gut gerüstet. Die europäische Integration und die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP zeigen das Gegenteil.“

Norbert Lammerts Beitrag zeigt über weite Strecken tatsächlich, dass das Parlament nicht so ohnmächtig ist, wie im Allgemeinen befürchtet. Sobald der Autor allerdings zum Thema TTIP kommt, redet er die Sache schön, wie der folgende Auszug zeigt:

„Am Beispiel von TTIP wird nun deutlich, dass die Mitwirkung nationaler Parlamente schon am Zustandekommen völkerrechtlicher Verträge wegen der zunehmenden Bedeutung internationaler Abkommen in vielen Fällen zu einer wesentlichen Bedingung auch für die Akzeptanz dieser Verträge wird. So hält es nicht nur der deutsche Parlamentspräsident, sondern auch EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker für selbstverständlich, dass nationale Regierungen ihren Parlamenten und den nationalen Abgeordneten uneingeschränkten Zugang zu den Verhandlungstexten der EU geben, die die Kommission den Regierungen zur Verfügung stellt. Es wird darüber hinaus zukünftig einer grundsätzlichen Klärung der Frage der Mitwirkungsrechte des Bundes bei völkerrechtlichen Verträgen bedürfen, die sowohl in die Zuständigkeit der EU als auch in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten fallen. Parlament wie Bundesregierung sind daher gut beraten, sich intensiver mit den außen- und sicherheitspolitischen Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten von Parlamenten zu beschäftigen.“

Dazu drei Anmerkungen.

Erstens: Natürlich ist Akzeptanz eine wesentliche Bedingung.  Zur notwendigen Akzeptanz kann es allerdings nur kommen, wenn Verhandlungen offen und nicht hinter verschlossenen Türen geführt werden, wobei die Türen in Sachen TTIP für die Wirtschaftslobby nicht verschlossen sind.

Zweitens: Was die Herren Lammert und Juncker für selbstverständlich ansehen, findet nicht statt. Oder vielleicht doch? Wahrscheinlich nicht, denn welche Verhandlungstexte stellt die Kommission den Regierungen zur Verfügung – alle oder nur eine Auswahl? Kaum jemand hat Zugang zu den Texten und viele Passagen sind geschwärzt, kopieren und abschreiben ist nicht gestattet. Thilo Bode dürfte sich diese Feststellungen nicht aus den Fingern gesaugt haben. (Buch: „Die Freihandelslüge“.)

Drittens: Es sind noch viele grundsätzliche Fragen zu klären – aktuell im Hinblick auf TTIP, aber dann weit darüber hinaus. Da sind die notwendigen Schularbeiten auch nach Auffassung von Herrn Lammert wohl noch nicht erledigt worden.