Sonntag, September 06, 2015

DUDEN, DUDEN über alles

Der gute Konrad Duden hat etwas Gutes stiften wollen, und das ist ihm auch gelungen. Er hat Ordnung in Rechtschreibung und Grammatik gebracht. So wusste lange Zeit jeder, wie er ordentlich mit der deutschen Sprache umgehen sollte. Dass das so gut wie niemandem fehlerlos gelang, lag  nicht an Konrad Duden.

Das Dumme ist nur: Irgendwann, lange nachdem Konrad Duden das Zeitliche geseg-net hatte, war es mit der Duden-Eindeutigkeit, mit den Vorschriften, von denen nicht abgewichen werden sollte, vorbei. Der Grund, den ich vermute: Da war inzwischen ein Unternehmen entstanden, dem es nicht nur um Rechtschreibung ging, sondern auch darum, ein einträgliches Geschäft zu betreiben. Die Vielzahl der Duden-Bücher in all ihren Variationen spricht dafür: Einen Duden für dies, einen Duden für das und noch einen Duden für was anderes usw.

Das mag noch bis zu einem bestimmten Punkt, der mir inzwischen überschritten zu sein scheint, berechtigt sein. Nicht in Ordnung finde ich, dass der Duden inzwischen  auch falsches Deutsch legalisiert, in dem die Redaktion es für umgangssprachlich erklärt. So ist auch „gewunken“ inzwischen Duden-erlaubt, sogzusagen – geadelt.

Ich habe das bis zur Lektüre des aktuellen STERN (03. 09. 2015) für den Höhepunkt dieses Unsinns gehalten. Ich habe micht geirrt. Um diesen Irrtum zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen.

Da gibt es die Frau Dr. Sibylle Hallik. Sie arbeitet im Bundestag und „beantwortet der Politik alle Fragen zum Amtsdeusch“. Wirklich alle“ – so der Bericht von Laura Himmelreich.

Bevor ich notiere, was Frau Hallik macht, will ich kurz festhalten, wie es zu ihrer Arbeit kam. Das war so: 1965 regte sich der SD-Abgeordnete Konrad Porzner über ‚stilistische Grobheiten’ und ‚barbarische Missbildungen’ im damals neu verfassten Raumordnungsgesetz auf. Minutenlang wetterte er im Plenum über Formulierungen wie ‚raumbedeutsame Maßnahmen’ und ‚versorgungsmäßige Aufschließung’. Der SPIEGEL druckte die Rede auf zwei Seiten unkommentiert ab. Da beschloss der damalige Bundestagspräsident, ‚dass es an der Zeit ist, der deutschen Sprache ein Büro im Parlament einzrichten. Das ist lange her.

Was macht Frau Hallik heute? Sie macht weiter, was 1965 begonnen wurde. Sie versucht, Wörter wie Verkehrswegeplanungbeschleunigungsgesetz aus der Welt zu schaffen. Ob ihr das gelungen ist?

Frau Hallik setzt auch die Tradition des Freiherrn von Knigge und Erica Pappritz, der Anstandsdame der jungen Bundesrepublik, fort. So schreibt sie in ihrem 169-seitigen „Ratgeber für Anschriften und Anreden“, dass Briefe an die Kanzlerin nie „mit freundlichen Grüßen“ enden sollten. Sie empfiehlt zwei Alternativen: „mit ausgezeichneter Hochachtung“ oder „mit vorzüglicher Hochachtung“. Sie ist also nicht wie die Kanzlerin in die Alternativlosigkeit verliebt.

Vor allem aber scheint sie sich mit politisch korrekter Sprache zu beschäftigen. Die von Laura Himmelreich genannten Beispiele deuten darauf hin. Frau Hallik rät Politikern und deren Mitarbeitern, statt von ‚geistig Behinderten’ von ‚Menschen mit Lernschwierigkeiten’ zu sprechen. Und weil das Wort ‚Farbiger’ an die Kolonialzeit erinnert (wer weiß heute eigentlich, was Kolonialzeit war?), empfiehlt sie ‚Schwarzer’. Da haben wir schon wieder die Neger-Diskussion – man könnte sich schwarz ärgern.

Und dann die gendergerechte Sprache. Die Polizei, deine Freundin und Helferin? Die Streitkräfte als Arbeitgeberin? Da zitiert Frau Hallik Duden Band neun. Es gibt keine feste Regel, alles ist möglich. Frau Hallik sagt: ‚Ich empfehle, was die Sprachgemeinschaft akzeptiert hat’, (also auch ‚gewunken).

Ich finde, das ist eine sehr lebenskluge Einstellung. Sie bringt uns zu unseren Klassikern Goethe und Schiller zurück. Die schrieben, wie sie es für richtig hielten. Konrad Duden stand ihnen noch nicht im Weg. Die Duden-Redaktion gibt unseren Klassikern recht: Schreibt wie sie, so wie ihr wollt. Das will ich auch den Damen einer feministischen Arbeitsgruppe der Berliner Humboldt-Universität zubilligen. Sollen sie Computer ruhig Computa schreiben und Koffa statt Koffer und so weiter. Sie sollen nur nicht versuchen, den Duden zu spielen. Der hat ausgespielt. Und die meiner Meinung nach überkandidelten Damen der Humboldt-Universität werden hoffentlich nie richtig ins Spiel kommen. Aber man weiß ja nie. Sicherheitshalber will ich mir einen kleinen Nachsatz erlauben: