Montag, Juni 01, 2015

Für das Leben lernen

Nicht für die Schule lernen, sondern für das Leben – so heißt es immer. Wie ernst ist das zu nehmen? Wie immer im Leben kommt es auf den Standpunkt an, von dem aus die Sache betrachtet wird. Das ist nicht Relativitätstheorie, sondern die platte Relativitätspraxis.

Schüler halten von dieser „Erkenntnis“, von der sie sich herausgefordert fühlen, nichts. Ihre Eltern und Großeltern halten diese „Weisheit“ für richtig, aber erst nach Verlassen der Schule. Was stimmt nun? Die eine oder die andere Ansicht oder keine von beiden?

Lesen, schreiben, rechnen lernnen, Physik, Chemie, Geographie, Englisch, Franzö-sisch, Spanisch, Italienisch, Chinesisch, Kunst, Gesellschaftskunde  und so fort. Das alles möchte die Schule ihren Schülern vermitteln und mit auf den Lebensweg geben.

Das schreibt sich so hin, ist aber nicht so einfach, wie es sich liest. Die Ansprüche an die Schule sind gestiegen. Was Großeltern und Eltern, Tanten und Onkel, was die Familie ganz selbstverständlich als ihre Aufgabe sahen, soll heute die Schule erledigen:

Wie benehme ich mich richtig? Warum ist es wichtig, höflich zu sein und aufmerksam? Warum ist es wichtig, Rücksicht zu nehmen – nicht nur auf andere Menschen, sondern auch auf andere Lebewesen? Warum, warum, warum?

Selbstverständlich kann die Schule mithelfen, diese und noch viele andere Fragen zu beantworten. Aber die erste Antwort? Sollte sie nicht von Mama und Papa, von Oma und Opa kommen?

Eine Antwort auf diese Fragen hat 1830 Christoph Friedrich Hahn gegeben, Lehrer an der Schönwalder Schule in Schleswig- Holstein 1830.  Alles, was dieser Lehrer empfahl, sieht auf den ersten Blick autoritär aus, ist in Wirklichkeit aber sehr liebevoll und zeigt, dass die Schule für das Leben vorbereiten kann, wenn es nur alle wollen. 31. 05. 2015

Schulgesetze 1830Schulgesetze des Schulhalters und Organisten Christoph Friedrich Hahn in Schönwalde um 1830

1. Jedes Kind muß zu rechter Zeit gekämmt, gewaschen, reinlich und ordentlich gekleidet in die Schule kommen, sich auf seinen Platz begeben., die Ankunft des Lehrers ohne Geräusch erwarten und ihn beim Eintritt in die Schule freundlich begrüßen.

2. Beim Gesange und Gebete muß jeder sich mit nichts als mit dieser Andachtsübung beschäftigen, und um die feierliche Stille und Andacht nicht zu stören, muß ein Schüler, der im Notfalle etwas zu spät kommt, erst nach geendigtem Gesange und Gebete in die Schule treten, dann den Lehrer freundlich grüße und ohne Geräusch seinen Platz einnehmen.

3. Kein Schüler darf willkürlich den für ihn bestimmten Platz verändern, nicht zanken, neiden, drängen, noch Sachen in der Schule vernichten oder beschädigen, noch andere während des Unterrichts anklagen, vielmehr ist alles sorgfältig zu vermeiden, wodurch Lärm und Störung beim Lernen und Lehren entsteht.

4. Jeder Schüler muß seinem Lehrer pünktlich, gehorsam und fleißig sein, er muß sorgfältig auf seinen Unterricht achten.

5. Nur der Schüler antworte laut und deutlich, der vom Lehrer gefragt wird, nur der spreche, welcher vom Lehrer dazu aufgefordert wird.

6. Kein Schüler darf solche Sachen, die nicht in die Schule gehören, als z.B. Esswaren, Spielsachen usw. mitbringen, aber stets die benötigten Schulsachen und sich nicht, sie vergessen zu haben, entschuldigen, soviel wie möglich sie stets ordentlich und rein zu halten.

7. Kein Tausch, Handel noch Spiel wird in der Schule erlaubt, denn in der Schule soll immer der Gedanke des Lehrens und Lernens gegenwärtig sein.

8. Beständig sollen alle Schüler besonders gegen ihren Lehrer, ab auch gegen jedermann, bescheiden, gefällig dienstfertig, höflich und artig sein und sich gut mit ihren Mitschülern vertragen.

9. Sollte ein Fremder die Schule besuchen, so müssen alle Kinder aufstehen, den Fremden anständig grüßen, sich ohne Geräusch wieder niedersetzen und das Aufgegebene ausrichten.

10. Nach beendigtem Unterricht verlassen die Schüler, so wie sie aufeinander folgen, die Schule, den Lehrer anständig grüßen, und gehen ungesäumt, ohne Lärm friedlich ihren Weg.  - Christoph Friedrich Hahn amtierte von 1786 – 1837 mit großem Segen in Kirche und Schule Schönwalde. Mit 77 Jahren ging er in den wohlverdienten Ruhestand. 1839 starb er in Schönwalde.