Montag, Juni 01, 2015

Bedarf und Bedürftigkeit

Eine Haarspalterei oder vielleicht doch mehr? Ich fange mal mit der Bedürftigkeit an. Wenn von Bedürftigkeit, von Bedürftigen die Rede ist, dann geht es um eine Notlage. Da sind Menschen in Not, und wir sollten ihnen helfen, ihrer Not zu entkommen. Das klingt nicht nur dramatisch, es ist dramatisch. Da sollen wir, da dürfen wir nicht lange fackeln.

Ist das beim Bedarf nicht genauso? Ähnlich vielleicht, aber nicht genauso. Den Unterschied herauszufinden ist nicht ganz einfach, aber möglich, und selbst wenn der Unterschied auf schwachen Füßen stehen sollte – es gibt ihn. Wir müssen nur mal genau hinsehen.

Wenn von Bedarf die Rede ist, geht es darum,  dass man irgendetwas haben möchte, dass irgendetwas gebraucht wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Gewünschte wirklich wichtig oder möglicherweise sogar überflüssig ist. Na, und?

Mit dieser angreifbaren Betrachtung zweier recht weit entfernt benachbarter Wörter habe ich mir die Grundlage für eine meiner vielen Sprachkritiken geschaffen und kann meinem Widerwillen gegen gedankenloses Sprechen und Schreiben freien Lauf lassen. Ich könnte auch von Hass reden.

Ich hasse den ...bedarf und den …bedarf und den …bedarf- im Klartext den Handlungsbedarf und den Änderungsbedarf und den Ich-weiß-nicht-was-Bedarf. Und weshalb hasse ich das? Weil damit die Flucht vor dem Notwendigen angetreten wird:

Wenn es einen Handlungsbedarf gibt, dann muss etwas getan werden. Wenn es einen Änderungsbedarf gibt, dann muss etwas geändert werden. Das Wörtchen Bedarf lässt aber offen, ob das wirklich geschieht, geschehen soll. Das Notwendige wird hinter dem Zauberwort Bedarf versteckt.

PS: Von einem Mitteilungsbedarf habe ich noch nichts gehört, von einem Mittei-lungsbedürfnis jedoch schon. Ahnen Sie jetzt den Unterschied? Mit zwei, drei Sätzen könnte ich ihn erklären. Aber warum sollte ich. Sie werden das selbst herausfinden