Samstag, Februar 14, 2015

Unter Dyskalkulie leiden wir alle.

Genauer gesagt: Wir leiden unter den Folgen der Dyskalkulie. Um das zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen. Am Besten fange ich mit einem Geständnis an. Ich bin nicht gerade der Schnellste. So kommt es, dass ich erst heute, am 13. Februar 2015, ausgerechnet ein Freitag, dazu gekommen bin, in der ZEIT-Beilage „Zeit & Chancen“ vom 14. September 2014 zu blättern. Und was entdeckte ich da? Einen Beitrag von Maike Brzoska mit der Überschrift „Keine Zahlen bitte!“ Gestolpert bin ich über den Untertitel „Ist Dyskalkulie eine Krankheit – oder nur eine Folge des Unterrichts?“

Donnerwetter, dachte ich: „Dyskalkulie“! Niemand, der mich kennt, würde mir Bildungsferne vorwerfen. Aber ich muss zugeben, dass meine Bildungsnähe gelegent-lich zu wünschen übrig lässt. Ich hatte nur ein Schuljahr lang Latein, dann nie wieder. Trotzdem habe ich mir gesagt: damit wird Rechenschwäche gemeint sein. Tatsächlich kommt das Wort in dem Beitrag auch vor, aber erst in der 164sten Zeile. Das konnte ich natürlich nicht wissen, als ich anfing zu lesen. Immerhin stieß ich in der zehnten Zeile auf den Begriff  Rechenstörung. Da war ich beruhigt, weil ich jetzt wusste: die Dame kann auch Deutsch.

Auf anderthalb lesenswerten Seiten setzt sich Frau Brzoska mit den Schwierigkeiten auseinander, unter denen rechenschwache Menschen leiden. Krankheit hin, Krank-heit her – Wissenschaftler sind sich da nicht einig. Ich will mich wegen mangelhafter Bildungsnähe nicht einmischen. Ich möchte nur auf ein Problem aufmerksam machen, das die Wissenschaft bisher nicht entdeckt oder nicht zur Kenntnis genommen hat.

Von Dyskalkulie, von Rechenstörung, von Rechenschwäche, sind vor allem Politiker betroffen. Beweise dieser Diagnose, der kaum zu widersprechen ist, begegnen uns täglich wie zum Beispiel im Hamburger Abendblatt vom 13. Februar 2015, Seite 23.

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer und sein Hamburger Kollege Frank Horch lassen sich in einem Interview des Langen und Breiten „über die großen Verkehrsprojekte in Norddeutschland“ aus.

Da geht es dann auch um die Kosten der Anbindung des Fehmarnbelttunnels in Schleswig-Holstein. Auf die Frage, ob die zurzeit genannten Kosten von 1,5 Milliarden € das letzte Wort seien, antwortet Herr Meyer: „Dafür kann man die Hand nicht ins Feuer legen.“

Im Klartext und nach Erfahrung: Das wird teurer. Nein, das ist keine Unterstellung. Herr Horch ergänzt: „Unabhängig von Kostenentwicklungen wird die Fehmarnbelt-querung gebaut werden.“

So können nur Menschen sprechen, die mit Geld umgehen, das ihnen nicht gehört. So können nur Menschen sprechen, die unheilbar an Dyskalulie leiden, womit bewiesen ist, dass es sich hier um eine Krankheit handelt.

Wenn wir noch einmal genauer hinsehen, entdecken wir, dass Dyskalkulie auch durchaus eine Stärke sein kann. Den Beweis liefert Herr Meyer, als er darauf angesprochen wird, dass ursprünglich von 850 Millionen für die Fehmarnbelt-anbindung die Rede war.

Man kann auch absichtsvoll dyskalkulierisch sein, wie der Staatsvertrag von 2008 zeigt. „Von der Bundesseite aus wollte man für die deutsche Anbindung eine Milliarde € Kosten nicht überschreiten, deshalb hat man den Fehmarnsund ausgeblendet.“ so Herr Meyer im Hamburger Abendblatt. Ein starkes Stück, nicht wahr? So falsch berechnend können nur Politiker sein. Aber wenn sie berechnend sind, sind sie dann wirklich Dyskalkulierer?

Wie auch immer: Sie geben Geld aus, das ihnen nicht gehört. Geld, das sie uns abgenommen haben. Ich werfe ihnen das nicht vor. Ich stelle das nur fest. Wenn ich wie sie unter Dyskalkulie litte, würde ich es genau so tun. Aber ich kann rechnen.
13. 02. 2015