Samstag, Februar 14, 2015

"Eine Beleidigung namens Fräulein"

Unter dieser Überschrift brachte das Hamburger Abendblatt heute, am 13. Februar 2015, eine Glosse von Karin Brose, einer in Hamburg nicht ganz unbekannten Lehrerin. Ich schätze sie sehr.

Der Inhalt der Glosse in Stichworten: Die Frage, was sich die Schüler unter dem neuen Fach Philosophie vorstellen: Schweigen. 21 Schüler haben Philosophie angekreuzt, weil sie nicht zu Religion wollten. Das ist eine Erklärung.

Das Thema der aktuellen Stunde: Freiheit. Mehrer Mädchen quatschen, sind am Unterricht nicht interessiert. Die Anführerin wird umgesetzt, nimmt das Matheheft heraus und beginnt, Hausaufgaben zu machen. Als die Lehrerin sie mit Fräulein Schmidt anspricht, erwidert die „ich heiße Melanie“. Im späteren Verlauf des „Dialogs“ rastet Fräulein Melanie Schmidt aus und wird aus der Klasse verwiesen. Die Klasse klärt die Lehrerin auf, dass Fräulein unter den Jungs und Mädels eine Beleidigung ist. Zum Hinweis, Fräulein sei eine höfliche Anrede, erklären sie: „Bei so älteren Leuten wie Ihnen vielleicht, aber nicht bei uns.“

In dieser Glosse stecken für mich zwei ganz unterschiedliche Inhalte. Das Verhalten von Melanie ist der eine. Das Mädchen benimmt sich so rücksichtslos, so egoistisch, so rüpelhaft, dass die Lehrerin es schon viel früher hätte vor die Tür setzen müssen. Sie hat sich beleidigt gefühlt? Sie war alt genug (9. Klasse), um wenigstens zu ahnen, dass ihre Lehrerin sie nicht beleidigen wollte. Das ist die eine Sache.

Und die andere? Das ist die Sprache. Ich weiß: die Bezeichnung Fräulein ist aus der Mode gekommen, ist verpönt. Damit kann jeder leben. Aber dass Jungs und Mädels  Fräulein als Beleidigung empfinden – darauf muss man als Nichtmehrjugendlicher erst mal kommen. Brauchen wir ein Wörterbuch, damit alt und jung sich verstehen? Höflichkeit wäre eine Brücke, über die alle gehen könnten.