Donnerstag, Januar 15, 2015

"Fehleinschätzung" und Schlimmeres


In Dresden wird Khaled I., Flüchtling aus Eritrea, ermordet. Polizeibeamte waren von einem Sturz und einem offenen Schlüsselbeinbruch ausgegangen. Das sah auch ein Arzt bei der Leichenschau so. Erst bei der Obduktion stellte man fest, dass der 20-Jährige durch mehrere Stiche in Brust und Hals getötet wurde. Eine zufällige Oberflächlichkeit? Daran ist zu zweifeln.

Khaled I. wohnte zusammen mit sieben anderen Eritreern in einer Vier-zimmerwohnung. Die Arbeiterwohlfahrt Sachsen, deren Sozialarbeiter die Eritreer betreut, berichtet nun von Hakenkreuzen im Hausaufgang der Wohnung und dass mehrfach gegen die Tür der Flüchtlingswohnung getreten worden sei. Nun, also jetzt, nach dem Mord. Eine zufällige Nachlässigkeit? Daran ist zu zweifeln.

Inzwischen wurde das Operative Abwehrzentrum der Polizei zu dem Fall hinzu-gezogen. Es wurde speziell zur Bekämpfung von Rechtsextremismus geschaffen. Ein weiterer Zufall?  Daran ist zu zweifeln.

Und als wenn das nicht genug wäre, weiß Frau Helma Orosz, Oberbürgermeisterin von Dresden nichts anderes zu sagen als „Ich glaube, dass diese Tat an einem Asylbewerber aus Eritrea, der in unserer Stadt gelebt hat, viele Fragen aufwirft.“ Sie habe Vertrauen, dass Polizei und Staatsanwaltschaft die Fragen schnell klären könnten.  Welche Fragen? „Nur“ die, die sich unmittelbar um den Mord drehen und nicht um die Hintergründe, nicht um den Rechtsextremismus?  Eine zufällige Leichtfertigkeit? Daran ist zu zweifeln.

Hinter allem steckt Absicht? Es fällt schwer, daran nicht zu zweifeln.

(Quelle: SPIEGEL ONLINE, 15. Januar 2015, 15:34 Uhr)