Mittwoch, November 14, 2012

Geister-Writer

In einem Deutschlandfunkbeitrag setzt sich der Autor Michael Böhm mit dem Angebot von Ghostwritern auseinander, die die Ausarbeitung von wissenschaft-
lichen Texten anbieten – bis hin zu Promotionsarbeiten. Der Autor stellt zwei Fragen: „Wo fängt akademisches Ghostwriting an und wo hört es auf?“ Und: „Ist es tatsächlich eine illegale Praxis?“ Die zweite Frage erklärt er mit dem Hinweis, dass auch Politiker sich Reden von Ghostwritern schreiben lassen.

Ich sehe die Sache so: Ghostwriting im akademischen Bereich ist illegal, ist Betrug. Schließlich wird hier eine selbständige wissenschaftliche Arbeit verlangt. Selbständig!
Davon kann keine Rede sein, wenn sich jemand seine Doktorarbeit schreiben – denken und schreiben – lässt. Das Angebot der „wissenschaftlichen Ghostwriter“ finde ich unanständig. Noch unanständiger finde ich allerdings die Annahme eines solchen Angebots.

Zur zweiten Frage: Nur vergleichsweise wenige Politiker sind mitreißende, überzeu-gende Redner. Dazu gehört eine Begabung, die vielen fehlt. Diese Schwäche wird dann ausgeglichen durch die Fähigkeiten eines Ghostwriters. Ist das illegal, vielleicht sogar Betrug? Nein, das sehe ich nicht so.

Dabei unterstelle ich Folgendes: Der Politiker notiert seine Gedanken und beauftragt seinen Ghostwriter, sie in Form zu bringen, überzeugend zu formulieren. Anschließend wird sich der Politiker das Manuskript ansehen und vielleicht einiges ändern. Auf jeden Fall wird er prüfen, ob seine Überlegungen hier wirklich so wie-dergegeben sind, wie er sie gemeint hat. Das finde ich in Ordnung, auch, wenn ich meine Texte lieber selbst schreibe.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Politiker sagt: „Ich muss da was zu dem und dem Thema sagen – schreiben Sie mal was. Ob das auch passiert? Das wäre dann wohl genau so illegal wie eine fremdgeschriebene Doktorarbeit.

Es gibt übrigens noch einen anderen, harmloseren Bereich des Ghost-Writings: die Autobiographien, die Erlebnisse und Geständnisse von allen möglichen Menschen, die sich für bedeutend halten oder sogar ein bisschen bedeutend sind. Ich muss gestehen, dass ich diese Bücher nicht lese. Aber ich staune schon bei der Ankün-digung oder den Rezensionen über die Sprachgewandtheit der Autoren. Vor der Buchveröffentlichung haben sie sich auf diesem Gebiet nicht durch eine besondere Leistung hervor getan. Und auf einmal können sie ein Buch schreiben. Es gibt eben doch noch Wunder.

Da hat Bettina Wulff eine erstaunliche Ausnahme gemacht. Sie hat ihre Co-Autorin Nicole Maibaum in ihrem Buch „Jenseits des Protokolls“ genannt. Das, finde ich, ist ein feiner Zug. Genau so, wie immer öfter in Büchern ausländischer Autoren die Übersetzer genannt werden.