Donnerstag, November 22, 2012

Betrachtungen eines Sensibelchen

Ja, ich gebe es zu: Ich bin ein Sensibelchen, was Gebrauch und Missbrauch unserer Sprache angeht. Da bin ich überempfindlich, nehme schnell übel, kann mich furchtbar aufregen, hebe immer wieder mahnend den Zeigefinger – ach, eine Kette ohne Ende.

Nicht selten wird meinen kritischen Anmerkungen entgegen gehalten: Sprache ist etwas Lebendiges, sie ändert sich ständig: Wörter werden seltener oder gar nicht mehr benutzt, geraten sogar in Vergessenheit, andere tauchen auf, sind zunächst ungewohnt, und machen doch Sinn.  Das sehe ich auch so.

Was mich stört, ist die zunehmende Gedankenlosigkeit, die um sich greifende Faulheit, nach dem treffenden Wort zu suchen. Focus ist seit geraumer Zeit eines der Wörter, die andere, genauere Wörter beiseite schieben. wie zum Beispiel Mittelpunkt, Schwerpunkt, besondere Aufmerksamkeit… Wir konzentrieren uns auch nicht mehr auf etwas, sondern wir fokussieren uns, sind auf irgendetwas fokussiert. Wörter wie Fokus machen unsere Sprache ärmer.

So geht es auch mit dem Wörtchen sensibel. Gemeint ist ursprünglich: empfindlich,
empfindsam, verletzlich, verwundbar. Wenn wir auf etwas sensibel reagieren, dann
reagieren wir einfühlsam.

Diese ursprüngliche und doch auch heute noch gültige Bedeutung geht zumindest im journalistischen Alltag weitgehend verloren. Ein kleines Beispiel:

„Es geht um sensible Daten von Nutzern“ ist zu lesen. Daten können nicht sensibel sein. Worum also geht es? Es dreht sich um vertrauliche, persönliche, nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Daten. Könnte man doch so sagen und schreiben, oder?

Zugegeben, man müsste vielleicht einen Augenblick nachdenken. Fehlt die Zeit dafür oder nur der gute Wille? Ich gestehe: Das ist eine sehr „sensible“ Frage.

PS: Neuestes Focus-Beispiel, Deutschlandfunk, Programmübersicht 22. 11. 2012: "Wie man die Täter von Stalken abbringt, lag nicht im Focus." Wo, um Himmels Willen, hat das Problem denn dann gelegen? Doch hoffentlich nicht im "Lok..!"