Dienstag, März 06, 2012

Wie Kleinigkeiten die Welt verändern

In Deutschland-Radio (d-radio.de) bin ich gestern auf einen kurzen Beitrag mit folgendem Titel gestoßen: „Elevator Blues. Fahrstuhl zum Penthouse.“

Da stand, dass kurz vor 1850 in den USA der absturzsichere Personenfahrstuhl erfunden wurde, der sich schnell verbreitete und die Ordnung mehrgeschossiger Gebäude buchstäblich auf den Kopf stellte. Das ist so verblüffend wie einleuchtend.

Bis dahin waren die oberen Stockwerke die billigeren. Es war mühevoller und anstrengender, sie zu erreichen. Das wurde mit den neuen Fahrstuhl anders: „Die Dachkammer des ‚armen Poeten’ mauserte sich zum modernen Penthouse“ (Zitat).
Hoch hinaus ohne Mühe ist nicht nur seitdem ein Ideal.

Weiter ist die Rede davon, dass die abgeschlossene Fahrstuhlkabine auf irritierende Weise Intimität und Anonymität zugleich mit sich brachte, und vor allem zu einem neuen Begriff führte, der „elevator sickness“ - so wurde „das neue Krankheitsbild der Klaustrophobie“ recht bald genannt. Die Angst, ohne Aussicht auf Befreiung eingeschlossen zu sein, nicht entkommen zu können, sich in einem Käfig zu befinden für alle Zeiten, muss unerträglich sein.

Diese Angst wird durch die moderne Abhängigkeit aller Elevators, aller Lifts, aller Fahrstühle von der Elektrizität noch gesteigert: Stunden und Stunden zusammen mit wildfremden Menschen in die Enge zwischen den Stockwerken getrieben zu sein, erscheint schon schlimm genug. Wer traut es sich als erster, in die Hose zu machen? Eine blöde Frage. Irgendjemanden passiert es. Mit Traute hat das nichts zu tun.

Ich will dieses schreckliche Szenario mit dem Hilfeschrei eines kleinen Menschen
beschließen: „Mama, ich muss mal!“ Und das als Erwachsener in der Öffentlichkeit eines Fahrstuhls, der keine Intimität zulässt? Eine schreckliche Vorstellung.

27. 02. 2012