Dienstag, März 08, 2011

Von allen guten Geistern verlassen

Unsere kleine deutsche Politikwelt steht wieder mal Kopf. Da streiten wir uns, ob Herr Karl Theodor zu Guttenberg gelogen und betrogen hat oder nicht. Warum eigentlich? Das ist doch längst entschieden, spätestens, seit Olivier Lepsius, Professor an der Universität Bayreuth, sagte, das sei ein „Ausmaß an Dreistigkeite, das wir bisher nicht gesehen haben“. Gemeint ist die Dissertation des Nicht-mehr-Doktors.

Es geht auch nicht mehr um die wahnwitzige Äußerung des Herrn Karl Theodor zu Guttenberg, er wolle weiter ein Vorbild sein. Trotzdem die Frage: wofür?

Er war für die beiden Bundeswehruniversitäten verantwortlich. Folgten die Studenten dieser Universitäten ihrem Vorbild, wären „copy and paste“ legalisiert.

So schlimm das alles ist – noch viel schlimmer ist, was unsere Bundes-Mutti sagte. Sinngemäß verkürzt: Mich interessiert nicht, ob jemand lügt und betrügt. Mir ist nur wichtig, dass ich und meine Partei an der Macht bleiben.

Wenn doch diese Geschichte nur endlich zu Ende wäre. Aber sie ist es nicht. Spiegel online schreibt am 6. März von Legendenbildung und schildert, wie an einer Dolch-stoßlegende gearbeitet wird. Daran zu arbeiten, ist zwar unanständig, aber verständlich – aus Sicht der UNION, bei der ich mich frage, welche Rolle eigentlich das C in den Parteinamen spielt. Für Christlich kann das doch nicht stehen.

Wie so oft, nähere ich mich dem, was ich sagen möchte, auf Umwegen und deshalb fast unzumutbar langsam.

Der Herr Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg sei so tüchtig gewesen, wird behauptet. Und nur deshalb – nicht wegen seines Haargels und seiner Stephanie – müsse man ihn unbedingt zurück haben. Wenn wir uns fragen, wie tüchtig er war, erhalten wir überraschende Antworten.

Erst meinte er, der umstrittene Bombeneinsatz bei Kundus, veranlasst von dem deutschen Obersten Klein, sei angemessen gewesen. Kurze Zeit später sagt er: Irrtum, war unangemessen.

Dann fühlt sich der Herr Minister schlecht informiert und entlässt Knall auf Fall den zuständigen Staatssekretär und den Generalinspekteur der Bundeswehr. Zack, zack!

Die Gorch Fock. Der Kapitän wird geschasst, ohne angehört zu werden. Das widerspricht allen Regeln, auch dem Anstand. Die Marine murrt, bleibt aber feige, anders als 1918 die kaiserlichen Matrosen in Kiel.

Ach ja, das war auch irgendwo zu lesen heute: Die Generalität zog es vor, die Schnauze zu halten, weil sie es sich mit ihrem Dienstherrn nicht verderben wollte. Feigheit vor dem Freund nenne ich das, schlimmer noch als die Feigheit vor dem Feind.

Vor allem aber: Das Meisterstück des Herrn. Das sollte die Reform der Bundeswehr werden. Erst war der Herr Minister für die Fortsetzung der Wehrpflicht, dann für ihre Aufhebung und für eine Berufsarmee. Gut, man kann seine Meinung ändern, auch wenn das gar nicht immer gut ist.

Und nun stellt sich heraus, dass der Herr Minister nichts zu Ende gedacht und schon gar nichts zu Ende gebracht hat. Schon hat sein Nachfolger den Staatssekretär seines Vorgängers in den vorzeitigen Ruhestand versetzt – hoffentlich notwendig, mit Gewissheit aber teuer.

Ach, lieber Herr zu Guttenberg, Sie waren alles, nur kein tüchtiger Verteidigungs-minister, kein guter Wirtschaftsminister. Sie waren eine Blendgranate, die immer noch viele von uns blind macht.

Eins möchte ich noch hinterher schicken. Die deutsche Presse sollte sich nicht allzu viel einbilden. Sie ist auf den Herrn genau so reingefallen wie viele ihrer Leser. Wie konnte sie sich so reinlegen lassen? Die Erklärung wird schwerfallen.

Wie wäre es, wenn sich wenigstens einige Journalisten am Canard enchainé orientierten? Unsere sich kritisch gebenden Titel wie Spiegel, Stern, Süddeutsche, taz, Die Zeit, könnten sich davon noch eine Scheibe abschneiden.