Sonntag, Dezember 20, 2009

Gelernt ist gelernt, und studiert ist studiert

Man soll nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, ganz besonders, wenn es gesprochen wird. Anders gesagt: Wir sollen nicht allzu pingelig sein.

Aber wir sollten auch nicht alles so hinnehmen, wie es uns serviert wird, schon gar nicht, wenn es geschrieben und nicht einfach so daher gesagt ist.

Hinter ärgerlichen Formulierungen steckt häufig das, was mit „political correctness“ bezeichnet wird.

Was ist politisch korrekt? Und wer bestimmt darüber? Und wohin führt das politisch korrekte Reden und Schreiben?

„Neger“ beispielsweise ist politisch nicht korrekt. Wir sollen „Farbiger“ sagen (und schreiben). Das finde ich in jeder Hinsicht dumm. Schließlich sind alle Menschen Farbige. Mal sind sie schwarz, mal braun, mal gelb, mal rot, mal weiß. Ziemlich viele Farben sind vertreten. (Die Weißen kriegen übrigens recht leicht einen Sonnen-brand und zählen dann zeitweise zu den Rothäuten.)

Zurück zum Neger. Weil wir nicht mehr Neger sagen sollen, sondern Farbiger, dürfen wir auch nicht mehr von Negerküssen reden. Deshalb heißen Negerküsse jetzt Schokoküsse.

Da kann ich mir den Witz nicht verkneifen, der mir im internet begegnete: „Sagt eine Biene zum Negerkind – wollen wir tauschen? Negerkuss gegen Bienenstich?“

Bei Winnetou, Old Shatterhand, bei Wildtöter – immer war von Bleichgesichtern und Rothäuten die Rede. War das diskriminierend? Nein, das war nicht herabsetzend, es machte nur die Unterschiede klar. Im Englischen steht das Unterscheiden an erster Stelle, im Deutschen ist die Herabsetzung wichtiger.

Neger hin, Farbiger her – wirklich schlimm ist, dass sich die vermeintliche, die verordnete politische Korrektheit überall einnistet, oft gar nicht ohne weiteres erkennbar und deshalb noch unerträglicher.

Da ist in Zeitungsberichten immer wieder von mutmaß-lichen Verbrechern die Rede, obgleich an deren Ver-brechen kein Zweifel besteht. Sie sind nur noch nicht verurteilt. Hier verhält sich die Presse politisch korrekt, aber nicht korrekt, was die Tatsachen betrifft.

Und nun zum geringsten, aber am weitesten verbreiteten Übel:

Täglich lesen wir von gelernten Reisebürokauffrauen, studierten Ingenieuren, studierten Germanistinnen usw. usw. Von ungelernten Reisebürokauffrauen lesen wir genauso wenig wie von Ingenieuren und Germani-stinnen ohne Studium.

Ein Ingenieur ist ein Ingenieur, eine Germanistin ist eine Germanistin. Ein Unternehmer ist ein Unternehmer und kein gelernter Unternehmer. Jedenfalls hat noch keine Zeitung von einem gelernten Unternehmer geschrieben.
Auch von gelernten Politikern war noch nicht die Rede. Das sollte nachdenklich machen.

Ärgerlich sind die Gedankenlosigkeit und die Gleichgül-tigkeit, mit der wir diese großen und kleinen Spielarten der political correctness hinnehmen. Wer verschreibt uns die eigentlich? Wir regen uns über die „Sittenwäch-ter“ im Iran auf und haben hier selbst welche. Vermut-lich ist diese Äußerung alles andere als politisch korrekt.

Ich bitte trotzdem nicht um Nachsicht, um Verzeihung schon gar nicht. Ich habe nicht die Absicht, politisch korrekt zu sein. Ich will nur verständnisvoll sein.