Sonntag, November 15, 2009

Unschuldsengel Bundesrepublik

Jeder weiß es, alle sind empört. Die DDR hat Briefe, Päckchen und Pakete, die aus der Bundesrepublik kamen, kontrolliert, geöffnet, gelesen, wohl auch Geld und sonst was immer wieder mal entnommen. Für die Post- und Telefonkontrolle war die Abteilung M des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zuständig. Bei aller Empörung wundern wir uns nicht; denn die DDR war ja ein Unrechtsstaat. Wirklich, das war sie, da gibt es keinen Zweifel.

Wie anders unsere Republik. Wir achteten immer auf die Einhaltung aller Gesetze. Da konnten wir uns auf unsere Politiker und unsere Justiz felsenfest verlassen. Gab es mal eine Unregelmässigkeit, und die kommt im besten demokratischen Staat vor, dann wurde schnell für Ordnung gesorgt. Schließlich ist unsere Republik ein Rechtsstaat und nicht so, wie die DDR war. Wirklich?

In den Jahren 1955 bis 1968 wurden in unserer Republik 100 Millionen Poststücke, die aus der DDR kamen, kontrolliert. Dokumente wurden nicht nur gelesen, Sendungen wurden auch beschlagnahmt, verschwanden und erreichten nie ihre eigentlichen Empfänger. Darüber wurde Buch geführt.

Daraus wird noch heute ein Geheimnis gemacht. Bei seinen Recherchen im ehema-ligen Postministerium fand der Freiburger Historiker Prof. Dr. Josef Foschepoth eine riesige Lücke. „Die Akten sind einfach nicht da. Immer dort, wo sensible Bereiche der inneren Sicherheit betroffen sind, fehlt etwas“, so Foschepoth.

War das rechtens? Nein, natürlich nicht. Es war Unrecht. Ein bisschen Unrecht im Rechtsstaat. Ist es rechtens, Akten beiseite zu schaffen, sie nicht zugänglich zu machen, wenn das Gesetz vorschreibt, dass sie nach 30 Jahren zugänglich gemacht werden müssen? Nein, natürlich nicht.

Was ist zu tun? Wir haben zwei Möglichkeiten. Wir sagen, das kommt in den besten Familien vor und ist ja auch schon lange her und gehen zur Tagesordnung über. Die zweite Möglichkeit: Aufpassen, aufpassen, aufpassen! Wenn wir das nicht tun, ist unsere Republik über kurz oder lang ruiniert. An vielen kleinen Stellen, oft genug nicht mal im Verborgenen, wird daran gearbeitet.