Sonntag, März 23, 2008

Gelogen, betrogen

„Die Renten steigen um 1,1 Prozent.“ Das hat die deutsche Presse mehrheitlich als frohe Botschaft verkündet. Eine Änderung der Rentenformel hätte es möglich gemacht; ohne sie wären nur 0,46 Prozent möglich gewesen. Hurra, hurra!

Dass auch diese scheinbare Erhöhung sogleich den Widerspruch verschiedener Politiker hervorgerufen hat, sei nur am Rande vermerkt. Die Begründung dieser Politiker, selbst diese „Erhöhung“, die in Wirklichkeit keine ist, sei nicht bezahlbar.

Auch auf den Zynismus, nun erreiche der Aufschwung auch die Rentner, will ich hier nicht eingehen. Es war schon zynisch genug zu behaupten – Frau Merkel – jetzt erreiche der Aufschwung alle Schichten. Angekommen ist er nachweislich nur in den „upper classes“. Damit zurück zum eigentlichen Thema „Rentnerbetrug“.

Im Kleingedruckten, im Fließtext der Zeitungen ist schon zu lesen, dass die angekündigte „Erhöhung“ „immer noch deutlich unter der Preissteigerungsrate liegt, die laut der offiziellen Regierungsprognose im Jahresdurchschnitt 2,3 Prozent betragen wird.“ (Hamburger Abendblatt 15./16. März 2008) Die Rentenerhöhung ist also in Wirklichkeit eine Einkommensreduzierung, und sie ist viel schlimmer, als es

die 1,1Prozent / 2,3 Prozent annehmen lassen.

Die offizielle Regierungsprognose zur Inflationsrate trifft für Renter nämlich nicht zu.

Der sogenannte Warenkorb, dem die Berechnung der Inflationsrate zugrunde liegt, enthält beispielsweise auch die Anschaffung von Möbeln, Waschmaschinen, Computern und anderen teuren Gebrauchsgegenständen, die Rentner selten bis nie kaufen. Die für sie entscheidenden Kosten sind Essen und Trinken, Strom und Heizung, also alles das, worauf sie nicht verzichten können und das immer teurer geworden ist. Von dem Preisverfall der Computer beispielsweise haben Rentner nichts. So ergibt sich für Rentner eine Inflationsrate von 8 Prozent. Dagegen steht nun eine „Rentenerhöhung“ von 1,1 Prozent.

Nach Herrn Olaf Scholz, seit kurzem Arbeitsminister, soll „Mit dem Schritt erreicht werden, dass auch die Rentner vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung 15. März 2008.)

In der WELT hat Herr Scholz die Sache noch viel griffiger formuliert (Zitat DER SPIEGEL 22. 3. 2008, Hohlspiegel: „Das Plus von 1,1 Prozent bedeute für einen ‚Eckrentner’ einen Aufschlag von 13,05 Euro im Monat. ‚Das ist nicht viel, aber mehr, als wenn es weniger wäre’ – so Herr Scholz.

In dieser Gemeinheit ist noch eine weitere Gemeinheit versteckt: Der „Eckrentner“.

Wer ist denn das? Ach so, das ist der Rentner, der 45 Jahre lang in die Rentenversi-cherung eingezahlt hat. Das dürfte eher die Minderheit sein. Und die anderen? Die bekommen weniger als 13,05 Euro im Monat. Das sagt Herr Scholz aber lieber nicht.

So viel zum aktuellen Stand der Dinge.

Betrogen und gelogen wird aber nicht erst seit gestern, sondern seit Jahrzehnten. So wird seit jeher behauptet, der Staat zahle die Renten. Weit gefehlt. Die Rentenkasse zahlt die Renten, und sie ist ein Selbstverwaltungsorgan der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es stimmt zwar, dass der Staat der Rentenkasse einen Zuschuss zahlt, aber er zahlt damit nur zurück, was er sich vorher geliehen, sprich, was er gestohlen hat.

Gestohlen? Ja, gestohlen, wie folgende Beispiele zeigen:

Kriegsfolgelasten für arbeitsunfähige Kriegsbeschädigte aus dem Zweiten Weltkrieg wurden von Anfang an den Rentenkassen auferlegt, nicht allen Steuerzahlern, wie es richtig gewesen wäre.

1957 Umstellung vom Kapitalansparsystem mit Kapitalbestand von ca. 40 Mrd. DM auf umlagefinanziertes System. Der größte Teil des Kapitalstocks wurde entnommen, um den Aufbau der Bundeswehr zu finanzieren.

Ab 1960 zwangsweise Übernahme insolventer Rentenkassen anderer Versicherungsträger, z.B. Knappschaften. Grundsätzlich keine Erstattung eines Verlustausgleichs durch das Bundesfinanzministerium.

Übernahme sämtlicher Versorgungsleistungen für Aussiedler, Umsiedler und Ostflüchtlinge, die nichts eingezahlt hatten, statt diese Kosten auf alle Steuerzahler zu verteilen.

Übernahme aller Versorgungsleistungen aus sogenannten „Sozialverträg-lichen Kündigungen und Aufhebungen vorn Arbeitsverhältnissen“, statt dies allen Steuerzahlenden aufzuerlegen.

Übernahme aller durch die Wiedervereinigung bedingten Versorgungs-leistungen, die auf erworbene Ansprüche aus DDR-Zeiten zurückgehen, wie. z.B. Frühverrentungen wg. des zusammengebrochenen Arbeitsmarkts, Finanzierung der Renten von DDR-Bürgern, statt hierzu alle Steuerzahler heranzuziehen.

Verkauf von BfA-Anlagevermögen in Milliardenhöhe zur Finanzierung der Errichtung von Wohnungen für zurückkehrende sowjetische Militärangehörige.

Dazu kommen schließlich die Folgekosten der Hartzgesetze, und diese Aufzäh-lung dürfte nicht einmal vollständig sein.

Es gibt bis heute keine Aufschlüsselung der Rentenausgaben zwischen versicherungsfremden und versicherungseigenen Leistungen, obgleich Helmut Pickert in der FAZ vom 21. 02. 07 schreibt, dass eine solche Aufschlüsselung leicht möglich wäre. Sie ist nicht erwünscht! (Quelle: www.altersdiskriminierung.de)

Zusammengefasst: Der Staat, die Regierung, die Parlamentarier haben die Rentkassen schamlos geplündert – über Jahrzehnte hinweg. Und sie sind bereit, das auch weiterhin zu tun. Sie betrügen alle, die aus ihrem Arbeitserlös Geld für ihr Alter zurückgelegt haben.

Es ist so, als wenn ich auf ein Auto spare, und wenn es so weit ist, bekomme ich stattdessen eine Tüte Bonbons. Mehr ist die angekündigte „Rentenerhöhung“ von 1,1% nicht wert.