Sonntag, Februar 18, 2007

Vorsicht, Quallen!

Quallen, auch Medusen genannt, sind ziemlich ekelhafte Tiere. Sie bestehen zu 99 Prozent aus Wasser, aber das eine andere Prozent hat es in sich. Wenn uns so ein Biest erwischt, kann das sehr schmerzhaft werden und manchmal sogar gefährlich. Aber wir müssen ja nicht ins Wasser gehen, und an Land können sie uns nichts tun.

Anders ist es mit den Wortquallen. Denen können wir nicht entkommen, egal, was wir tun. Sie begegnen uns in den Zeitungen und Zeitschriften, im Fernsehen und im Funk, einfach überall. Wir entrinnen ihnen nicht.

Nun gut, nicht alle sind gefährlich. Manche kitzeln uns nur, andere versetzen uns einen ganz schönen Schlag. Ärgerlich und lästig sind sie alle.

Da ich kein „gelernter“ Wissenschaftler bin, kann ich die Wortquallen, die im großen Meer der Sprache herumschwimmen, nicht kategorisieren, nicht in Gruppen, Stämme, Sorten oder sonstwas einteilen. Ich kann sie nur beim Namen nennen, kann sie, so gut es geht beschreiben und – wenn nötig – vor ihnen warnen.

Hier eine laienhafte Aufzählung:


Der Hessische Ministerpräsident, Herr Roland Koch, hat das Gesetz zur Gesundheitsreform für zustimmungsfähig erklärt. Herr Koch mag ja zu allem möglichen fähig sein, ein Gesetz ist es nicht.

Irgendjemand hat einen Weg gefunden, der mehrheitsfähig ist. Wege sind weder zu Mehrheiten noch zu sonst etwas fähig; sie mögen für dies und jenes geeignet sein, bestimmt nicht fähig.

Herrn Koch’s Sprachqualle ist, wie wir sehen, nicht allein in dieser Sprachwelt. Wie oft war schon von Material die Rede, das atomwaffenfähig sein soll! Dieses Material war nie fähig, sondern, wenn es zutraf, geeignet zur Herstellung von Atomwaffen.

Da gehen einige Politiker in ein Gespräch, um unterschiedliche Standpunkte zu diskutieren und – wenn möglich – zu einer Übereinkunft zu kommen. Vollmundig wird behauptet, man ginge ergebnisoffen in dieses Gespräch. Na wie denn sonst?!
Wenn man das Ergebnis des Gesprächs schon vorher kennte, brauchte man das Gespräch nicht zu führen – oder?

Zu den besonders häufig vorkommenden Wortquallen gehört „das hohe Gut“. Da ist einmal von dem hohen Gut der Gesundheit die Rede, mal von dem hohen Gut der Freiheit und von vielen anderen auch noch. Peng! Dann liegen diese Wortquallen am Strand, sind unansehnlich, auch ungefährlich und – neue Quallen nähern sich uns.

Natürlich gibt es auch Wortquallen, die nur lustig sind, oder vielleicht doch nicht nur lustig?

Bei schneller Antwort gibt es ein Gratis Geschenk. Also nichts wie ran! Aber sind Geschenke nicht immer gratis? Von dem Gefühl für eine Verpflichtung, die ein Geschenk möglicherweise auslöst, soll hier nicht die Rede sein; das wäre zu philosophisch.

Weniger philosophisch ist es, einen Vorgang moderatorisch zu begleiten. Das muss man erst mal können. Vielleicht geht das, wenn man genügend durchflexibilisiert ist, was immer das bedeutet. Dagegen ist die Wortqualle Jagdausübungsberechtigter recht unscheinbar, nicht wahr? Aber ihre Art kommt im Deutschen recht häufig vor. Nicht nur Mark Twain hat da die Händer über dem Kopf zusammengeschlagen.

Von dieser niederen Qualle schnell noch auf ein höheres Wesen, den Super-GAU. GAU – verflucht sei die Flut der Abkürzungen! – soll heißen: Größter Anzunehmender Unfall. Wenn also nichts größer sein kann, was ist dann ein
Super-GAU? Ganz einfach: super!

Ja, jetzt endlich beginne ich zu begreifen: Mein Zeithorizont muss verrutscht sein. Vielleicht habe ich das Zeitfenster, von dem immer wiede die Rede ist, nicht rechtzeitig geöffnet oder geschlossen. Das muss aber nicht meine Schuld sein. Mal, wird gesagt, sind die Zeitfenster zu klein, mal zu schmal.

Jetzt wollen wir doch mal alle Zeitfenster schließen; denn es zieht wie Hechtsuppe.