Donnerstag, Februar 08, 2007

Von Zwillingspärchen und Einzelkindern

„Entbehrlich“ und „unentbehrlich“ sind für mich ein Zwillingspärchen; sie gehören zusammen, auch wenn sie Gegensätzliches meinen. Was entbehrlich ist, muss man nicht haben, was unentbehrlich ist, wird dringend benötigt. So passen die beiden Wörtchen gut zusammen, zwillingsweise sozusagen.

Ganz anders steht es mit „unverzichtbar“. Dieses Wörtchen ist ein Einzelkind; denn das Wort „verzichtbar“ ist – zumindest im Wahrigs Wörterbuch – nicht verzeichnet; es ist mir auch noch nirgendwo begegnet. Übrigens kommt nicht einmal „unverzichtbar“ im dicken Wahrigs vor.

„Unverzichtbar“ dagegen begegnet mir jeden Tag. Politiker, Manager, Gewerkschafts- und andere Funktionäre, Leistungs- und Veranwortungsträger, bedeutende Personen des Öffentlichen und veröffentlichten Leben nehmen dieses Wörtchen offenbar mit Begeisterung in den Mund, um es uns dann vor die Füße zu spucken (das ist natürlich nur bildlich gemeint).

Worauf ich mit meiner ach so bekannten Umständlichkeit hinaus will? Ich habe den Verdacht, dass den meisten der Unterschied zwischen „unentbehrlich“ und dem noch nicht registrierten „unverzichtbar“ überhaupt nicht klar ist. Hinter diesem Verdacht steckt ein noch viel schlimmerer Gedanke.

Wenn ich etwas entbehre, dann fehlt mir etwas – oft etwas ganz Wichtiges. Wenn ich auf etwas verzichte, dann gebe ich einen Wunsch, dann gebe ich einen Anspruch auf. Genau das ist der Punkt, den ich meine. „Unverzichtbar“ ist ein Schlüsselwort unserer Anspruchsgesellschaft.

Wer will schon auf etwas verzichten, wenn er glaubt, darauf Anspruch zu haben? Ob er das, was er haben möchte und als „unverzichtbaren“ Anspruch einfordert, ob das vielleicht entbehrlich, also gar nicht wichtig, und möglicherweise sogar überflüssig ist – na ja, Anspruch bleibt Anspruch.

„Scheinbar“ – Verzeihung – „anscheinend“ ist das alles genauso schwer zu begreifen wie diese beiden Wörte. Sollte böse Absicht hinter allem stecken? Dummheit allemal!