Mittwoch, Februar 07, 2007

Konsensmilch

Konsensmilch – kein Schreibfehler, aber ein Fehler auf jeden Fall.

Ich bitte um Vergebung, sollte ich mit der einen oder anderen Wiederholung nerven. Bestimmt habe ich schon des öfteren meinen Missmut über das Modewort Konsens geäußert. Es hat aber seine Gründe.

So wie unsere Eltern und Großeltern gern ein paar Tropfen Kondensmilch ihn ihren Kaffee schütteten, so wird heute versucht, jedes Problem mit Konsensmilch zu versüßen. Da geschieht etwas im Konsens oder auch nicht. Da wird ein Konsens angestrebt, vielleicht auch nicht. Das Wörtchen Konsens ist fruchtbarer als jedes Karnickel; es hoppelt durch alle Medien.

Von dem einfachen Begriff Übereinstimmung hat sich Konsens mittlerweile ziemlich weit entfernt. Vielleicht auch, weil das Wort Dissens in der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht vorkommt. Meinungsunterschiede werden nicht Dissens genannt, oder nur sehr, sehr selten. Alles läuft auf Konsens hinaus.

Zu welcher Blüte dieser Unfug gerät, zeigt das Wörtchen konsensual. Da werden konsensuale Gespräche geführt. Aber was für Gespräche sind das? Gespräche, in denen von vornherein Übereinstimmung besteht, oder soll die erst hergestellt werden? Es läuft wohl auf die erste Variante hinaus; man liebt sich von vornherein, sozusagen konsensual.

Vermutlich wird noch viel Konsensmilch auf den Dissenstischen verkleckert. Na ja.

Wenn gerade kein passend erscheinendes Fremdwort zur Verfügung steht, dann gibt es die aufregende Möglichkeit, sich einer bildhaften Sprache zu bedienen. Das führt häufig zum erstaunlichsten Unsinn, was wohl daran liegt, dass nicht jeder ein Goethe oder Schiller oder so ist.

Zeitfenster ist so ein vermeintlich bildhaftes Wort. Mal ist das Zeitfenster klein (man hat also nicht viel Zeit, etwas zu erledigen), mal ist das Zeitfenster günstig (ein guter Zeitpunkt, etwas zu regeln). Mal ehrlich, so richtige Bilder stellen sich bei diesen und anderen Zeitfenstern nicht ein.

Soll man ein Zeitfenster - klein oder groß - schließen oder öffnen? Geöffnete Zeitfenster könnten wenigstens für Durchzug sorgen und damit für frische Luft. Scheint aber nicht immer erwünscht zu sein. Früher mussten Fenster - wegen der Fliegergefahr - verdunkelt werden. Das würde sich heute für so manches Zeitfenster möglicherweise auch anbieten.

Da wird viel geplappert, nein, schlimmer noch: nachgeplappert, und als Entschuldigung wird – jede Wette! – der Zeitraum angeführt werden.

Wenn es einen Zeitraum gibt, warum soll es dann nicht auch ein Zeitfenster geben, oder vielleicht sogar viele? Und warum soll es dann nicht auch ein Zeitdach, ein Zeitfundament, eine Zeitwand und was weiß ich noch, geben?

Da haben wir’s. Bilder kann man nicht herbeireden; Bilder müssen von vornherein stimmen, wenigstens dann, wenn sie unsere Sprache einleuchtend bildhaft machen sollen.

Und weil ich es nun einmal nicht lassen kann, will ich schnell noch über ein paar geläufige Fremdwörter herfallen, die wir wirklich nicht brauchen; sie dienen, denke ich, nur der Faulheit und dem Hang, sich zu produzieren:

Roadmaps sind nichts anderes als Fahrpläne. Nein, nicht Fahrpläne für Busse und Bahnen, sondern für Projekte von Unternehmen und Institutionen, Pläne, die zeigen, wie man seine Ziele erreichen will.

Rollout hat nichts damit zu tun, einen sorgfältig gekneteten Teig nun ganz dünn auszurollen, um ihn dann in den Ofen zu schieben. Nein, es geht hier um etwas anderes. Wenn von Rollout die Rede ist, dann ist die Vorstellung, die Einführung eines Produkts gemeint.

(„Haben Sie schon downgeloadet?“) Eine blöde Frage, die mir in diesem Zusammenhang einfällt. Haben Sie Ihr neues Produkt schon outgerollt? Sehen Sie, so blöd einfach ist das alles.