Sonntag, Juli 29, 2018
So werden jetzt die Menschen genannt, die abgeschoben, weg-geschickt werden.
Unsere Sprache findet wirklich für alles und jedes ein Wort. Wir können uns
wirklich nicht beklagen.
Wo ein Schübling ist, muss ja auch ein Abschieber sein,
kurz: ein Schieber. Das Wort Schieber ist ganz aus der Mode gekommen. Es hat
zwei ganz verschiedene Bedeutungen. Einmal geht es um den Teil eines
Essbestecks, mit dem man kleine Kinder an den richtigen Umgang mit Messer und
Gabel heranführen wollte, und zum anderen um einen Menschen, der (in Notzeiten)
bitternötige oder auch nur heißbegehrte Waren zu kaum bezahlbaren Preisen
herbeischafften.
Zurück zum Abschieber. Er ist derjenige, der
unerwünschte Menschen weg-schiebt, wegschubst, aus dem Weg räumt, der aus einem
Menschen einen Schüb-ling macht. Der eine schubst, der andere wird geschubst.
Der Lauf der Welt.
Zeit, dem Schübling den Schubsling, den Schubser,
hinzuzufügen. Woanders macht man das ja auch – ganz ungeniert, und fügt dem
Außenminister einen „Außen Staatsminister“ zu (Quelle: DER SPIEGEL 30/18). Na
ja, das Beispiel ist ein bisschen krumm, aber es reicht.
Aus meiner Berliner Zeit kenne ich „Massel gehabt“,
also „Glück gehabt“. Heute begegnete mir das Original: MAZEL, das jüdische Wort
für Glück.
Schnell Aufgelesenes: Schon wieder „unterkomplex“
anstelle von einfach (DIE ZEIT, 19. Juli). In derselben Ausgabe, auch auf Seite
62: „Das Dialektische und Kontrafaktische“ -
es wird empfohlen, beides auszuhalten. Mir gelingt beides nicht, weil
ich das eine wie das andere nicht verstehe. Vielleicht meint kontrafaktisch
ganz schlicht gelogen. Aber ich weiß es nicht.
Wenn DIE ZEIT in einem Gespräch mit der
„Bildungsexpertin“ Ingrid Miethe die „Kulturalisierung der Arbeiterkinder“
erwähnt, wird mir ganz anders. Soll da den Kindern Kultur beigebracht werden?
Vielleicht mit großen Löffeln, so wie
wir damals übelschmeckenden und übelriechenden Lebertran schlucken mussten, um
starke Knochen zu bekommen?
DER FREITAG, 19
Juli, Seite 13, Mladen Glawić: „Die agonale Situation…“. Agonal? Nie
gehört, nie gelesen, jetzt nachgesehen. Warum agonal? Kämpferisch würde jeder
verstehen. Aber das wollte Mladen Glawić
vielleicht gar nicht. Dann hätte man ja gar nicht gemerkt, wie gebildet er sich
fühlt.
DER FREITAG, 19
Juli, Seite 3. Da notiert Annett
Gröschner zur Verlogenheit „eines menschenverachtenden Zynismus zum Zwecke des
Machterhalts: Ankerzentrum, Asylwanderung, Asylwende, Fluchttourismus,
Transitzentrum – Zurückweisung auf Grundlage der Fiktion einer Nichteinreise.“
Das Wort als Waffe.
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