Dienstag, Juni 26, 2018

Erzählung

Von heute an werden die Tage wieder kürzer, genauer gesagt: Es wird später hell und früher dunkel, die Länge bleibt.
Herr Seehofer zeigt eine neue Seite, die des Reflektierten – schreibt Thomas Schmid in DIE WELT vom 19. Juni. Der Reflektierte, der Nachdenkliche – es geht wieder mal nicht vornehm genug. Reflektieren? Nachdenken geht doch auch, ist aber wohl nicht anspruchsvoll genug.
Und dann schlägt Herr Schmid richtig zu: „Die Mehrheit der Bürger ist fähig, die große Erzählung vom Drama der Migration zu verstehen.“ Wie pompös! Machen wir’s mal eine Nummer kleiner: „Die meisten Bürger verstehen die Dramatik der Migration.“ Vor allem aber: Was heißt hier „Erzählung“?

Nach meinem Verständnis ist die Erzählung eine entfernte Verwandte des Märchens. Die Erzählung nimmt nicht immer alles ganz genau, nicht selten schmückt sie die Dinge mehr oder weniger aus. Aber so genau nimmt man es seit einiger Zeit nicht mehr. Neuerdings nennt man auch einen Bericht, einen Kommentar Erzählung. Sollte dahinter, ganz versteckt, der Versuch stecken, ehrlich zu sein? Eine Aufforderung, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen?