Freitag, September 02, 2016

Warum zwei Ohren so wichtig sind

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Darüber machen wir uns eigentlich nie Gedanken. Warum auch? Spaßvögel könnten jetzt sagen: Das eine ist fürs Zuhören, das andere zu Weghören. So albern das klingt, so ganz falsch scheint es nicht zu sein.

Bernhard Pörksen schreibt nachdenklich und nachdenkenswert in der ZEIT-Ausgabe 34 vom 11. August: „Man kann Menschen zu Schweigen bringen, sie jedoch niemals zu Zuhören zwingen. Echtes Zuhören ist ein Geschenk.“

Vor dem Hintergrund einer wahren Begebenheit erzählt er die Geschichte von Ich-Ohr und vom Du-Ohr. Diese Geschichte geht so: 

„Mit dem Ich-Ohr hören wir entlang unserer persönlichen Urteile und Vorurteile zu… Hier fragen wir nach dem Grad der Übereinstimmung mit unseren eigenen Auffassungen, die als Filter funktionieren. Das Du-Ohr bringt die nicht egozentrische Aufmerksamkeit. Hier versucht man, in die Welt des anderen einzutauchen. Man fragt. In welcher Welt ist das, was der andere sagt, plausibel, sinnvoll, wahr? Mit dem Du-Ohr hören wir den anderen wirklich – in seiner Fremdheit, seiner Schönheit, seinem Schrecken.“ Und wir verstehen ihn, füge ich hinzu.

Eine Geschichte des dänischen Philosophen Søren Kierkegard (Pörksen gibt sie wieder) macht klar, worum es geht:

„Eines Tages brennt das Zirkuszelt. Der Clown wird ins Dorf geschickt, um Hilfe zu holen, in voller Montur. Er warnt die Dorfbewohner, dass die Felder rund um das Zelt gleich brennen werden und sich alles in ein Flammenmeer verwandelt. Alle müssen sofort zum löschen kommen. Er bettelt und fleht und schreit. Die Dorfbewohner finden seine Performance wahnsinnig komisch. Was für ein raffinierter Werbetrick, um sie zum Zirkus zu locken. Was für eine witzige Idee!

Zu dumm. Die Dorfbewohner haben mit ihrem Ich-Ohr hingehört. Das war das falsche. Wir sollten versuchen, es besser zu machen. Wozu haben wir zwei Ohren?!