Samstag, September 03, 2016

"Gekaufte Unschuld"


Unter diesem Titel schreibt Christane Grefe auf der ZEIT-Seite 31, Ausgabe vom 18. August, über Unternehmen, die mit den NGOs wie Foodwatch, NABU, Robin Wood zusammenarbeiten und wie sie es tun. Sie sprechen von  mitein-ander statt gegeneinander.  Was ist davon zu halten?

Frau Grefe schreibt: „Seit die Weltgemeinschaft im vergangenen Herbst die ‚Sustainable Developments Goals‘ beschloss, ist Nachhaltigkeit vom Nischen-Ethos zur globalen Verpflichtung aufgestiegen. Konzernen und Großunternehmen dämmert schon länger: Das Thema gehört auf die Agenda. Zumal selbst Investoren und Aktionäre vermehrt darauf achten, dass ihr Geld zukunftsfähig angelegt wird. Da liegt es nahe, sich nachhaltiges Know-how zu kaufen oder schlicht mit den Guten zu kooperieren.“

So viel Schwindel in so wenigen Zeilen! Da wird einem ganz schwindlig. Von einer Verpflichtung kann doch nicht die Rede sein, Verpflichtung zu Nachhal-tigkeit? Kein Mensch weiß mehr, was unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist, so abgewirtschaftet wurde dieses Wort. An die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Nachhaltigkeit erinnert sich heute offenbar kaum noch jemand: Nicht mehr verbrauchen, als man zurückgeben kann. Wie unsinnig mit diesem Begriff umgegangen wird, ist im Grefe-Text selbst zu lesen. Da ist die Rede von nachhaltigem Know-how. Was soll das sein? Der Begriff Nachhaltigkeit dürfte ein für allemal ruiniert sein. So wie die Wirtschaft mit ihm umgeht, ist das kein Wunder.

Zwei Jahre lang hat die Airbus Group, Europas größter Flugzeug- und Rüstungskonzern, mit der Heinrich-Böll-Stiftung  diskutiert, wie die CO2-Emis-sionen des Klimakillers Flugzeug gesenkt werden können. Herausgekommen sind Kerosin aus Algen, neue grüne Baustoffe, was immer das sein soll, und Effizienz-technologien – auch da: Fragezeichen.

Das kommt dabei heraus, wenn man die falsche Frage stellt. Dann erhält man auch die falschen Antworten. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, wenn die Airbus Group sich gefragt hätte: Wie können wir den Flugverkehr reduzieren und trotzdem als Unternehmen erfolgreich sein? Das hätte Algenkerosin, grüne Baustoffe und solche Ideen nicht ausgeschlossen, hätte aber Neues möglich gemacht. Wie tief die Airbus Group in Sachen Nachhaltigkeit fliegt? So tief, dass sie über den berühmten Tellerrand nicht hinweg kommt. Crash. Totalverlust. Nach der Blackbox brauchen wir nicht zu suchen. Wir kennen ihren Inhalt ja schon.

Diese Betrachtungsweise ist zu giftig? Auf den ersten Blick vielleicht, auf den zweiten Blick nicht. Für die Zusammenarbeit mit dem Nabu war bei VW das Kommunikationsressort zuständig. Damit war klar: Es geht dem Unternehmen um Öffentlichkeitsarbeit: kleine gute Taten und viele große Worte. Um Nachhaltigkeit im ursprünglichen Sinn des Begriffs ging es nicht. Mag sein, dass VW gelernt hat. Inzwischen soll das Thema Nachhaltigkeit im Ressort des Vorstandsvorsitzenden angesiedelt sein. Vielleicht wird es dort ernst genommen. Und nun?

Die Wirtschaft – lokal bis global – ist kein Wohltätigkeitsverein. Erfolg und Gewinn sind keine Verbrechen. Und die Erwartung der Aktionäre, eine angemessene Rendite mit ihren Aktien zu erzielen, ist in Ordnung. Es sollte nur alles im Rahmen bleiben. Und das heißt: Nicht mehr nehmen, als man zurückgeben kann.