Sonntag, Juni 12, 2016
Gott und die Welt, Evelyn
Finger und Monika Grütters.
Der hundertste deutsche Katholikentag, vom 25. bis 29. Mai in Leipzig begangen,
fand auch in der ZEIT 23 vom 25. Mai statt. Gleich auf der Titelseite fragt
Evelyn Finger „Wer vermisst Gott!“ und ist begeistert, dass ausgerechnet im
gottlosen Sachsen-Anhalt, in Leipzig, der Katholikentag stattfindet: „Denn
Sachsen-Anhalt hat nur 18 Prozent Christen, 4 Prozent Katholiken.“ Merkwürdig:
Sind Katholiken keine Christen, oder nur andere?
Egal. Evelyn Finger empfiehlt den Kirchen zu sagen: „Das Christentum
gehört zur Freiheits- und Aufklärungstradition Europas.“ Ist das nicht ein
bisschen blauäugig, vielleicht sogar kühn, oder nur leichtfertig? Redet sie
sich selbst und vielleicht auch noch anderen ein, was infrage gestellt werden
muss?
Wie schrecklich Christen gegen Christen vorgegangen sind bis in die
jüngste Vergangenheit, ist unfassbar. Mord und Totschlag, kreuzigen, aufs Rad
flechten, bei lebendigem Leibe verbrennen waren Alltag vom dritten Jahrhundert
an bis heute. Der Dreißigjährige Krieg: Katholiken gegen Protestanten. Die
Bartholomäusnächte in Frankreich. Die Flucht der Hugenotten nach Preußen und so
weiter, und so weiter.
Zum „und so weiter“ gehört auch dies: Martin Luther, einer der größten
Judenhasser, Dazu gehören die „Deutschen Christen“ im nationalsozialistischen
„Dritten Reich“. Die Ermordung von 6 Millionen jüdischen Menschen gehört dazu;
denn sie wurde von den Christen zumindest hingenommen. Nicht wenige gingen
darüber hinaus.
Was hat das Christentum zur Freiheit und Aufklärung in Europa beigetragen?
Zählen Martin Niemöller, Dietrich Bonhoeffer, Kardinal von Gahlen und viele
andere etwa nichts? Doch, natürlich. Aber Freiheit und Aufklärung waren nicht
ihr Thema. Sie haben sich für Menschlichkeit eingesetzt. Das ist etwas anderes.
Das ist mehr. So viel zu Evelyn Finger.
Und was sagt Monika Grütters, Kulturstaatsministerin unserer Republik?
„Für mich gehört das Kreuz ins Kanzleramt. Gott und Freiheit sind kein
Widerspruch.“ (DIE ZEIT 23. 25. Mai 2016) Wirklich nicht?
Im Gespräch mit der ZEIT erwähnt sie die „reine Lehre“, meint als
Katholikin ihre Kirche und nicht die evangelische und eine andere schon gar
nicht. Was an der Lehre ist rein? Wo ist die Freiheit? Frau Grütters bleibt da
im Allgemeinen, im Ungewissen, beherrscht das Politikerdeutsch aber aus dem FF:
„ Das Kreuz in der Schule oder im Gerichtssaal steht heute nicht für die
Vorherrschaft einer Religion. Bei uns gilt die allseits akzeptierte Trennung
von Kirche und Staat. Und doch steht das Kreuz hier für ein Bekenntnis zu einer
ganz bestimmten Wertegrundlage.“ Und die wäre?
Das verrät Monika Grüttner nicht. Vielleicht weiß sie es selbst nicht.
Vielleicht soll es auch ihr Geheimnis bleiben. Oder sollte das nur so
dahingeplappert sein? Eine andere Äußerung der Kulturministerin könnte einen
auf diesen Gedanken bringen: „Unsere Verfassung ermöglicht Pluralität und
Vielfalt.“ Sind Pluralität und Vielfalt nicht einunddasselbe? (Haben wir
eigentlich eine Verfassung? Oder begnügen wir uns noch immer mit dem
Grundgesetz? Das scheint ja nicht das schlechteste zu sein.
Zum von Monika Grütters perfekt beherrschten Politikerdeutsch gehören auch ihre letzten Worte im
ZEIT-Gespräch: „…das ist für mich ein starker Kompass.“ Starker Kompass,
schwacher Kompass? Es gibt starke und schwache Magnetfelder. Nichts als
Geplapper. Wir sollten uns daran nicht gewöhnen.
Wie es der Zufall will. Bis zu ihren Äußerungen zum deutschen
Katholikentag war mir Monika Grütters kein Begriff. Grütters? Ich erfuhr von
ihr erst in der ZEIT vom 25. Mai. Und dann der SPIEGEL 23 vom 4. Juni mit dem
Beitrag „Die liebe Monika.“
Der Vorspanntext: „Kulturpolitik. Monika Grütters, Staatsministerin für
Kultur, wirkt wie eine geborene Sympathieträgerin und hat dennoch in ihrer
Amtszeit eine beachtliche Zahl von Gegnern
gefunden. Nicht jedem passt, wie sie gerade mit Wucht die Kulturnation
Deutschland prägt.“
Auf den Seiten 126 bis 128 wird fast Zeile für Zeile das Hohe Lied auf
die Kulturstaatsministerin gesungen. Zu
verstehen ist das nicht, zumindest, was die „Novelle des Kulturgutschutzes“
angeht, die Frau Grütters demnächst vom Bundestag verabschiedet sehen möchte.
Sie plant, dass „national bedeutende Objekte“ für eine dauerhafte Ausfuhr
gesperrt werden sollen.
Was heißt „national bedeutend“? Wer bestimmt, was „national bedeutend“
ist? Ist es überhaupt möglich, Arbeiten zeitgenössischer Künstler als „national
bedeutend“ zu beurteilen? Geht das nicht erst im Rückblick? Künstler,
Sammler und Händler wehren sich
verständlicherweise, auch wenn es ihnen hier wohl zuallererst ums Geld geht.
Wichtiger scheinen mir die Fragen zu sein, die ich gestellt habe.
Zu allem Überfluss habe ich noch eine Frage. Sind Dichter und
Schriftsteller keine Künstler? Wenn sie es sind, und daran zweifle ich nicht,
dann sollten doch ihre Gedichte und Bücher auch nicht dauerhaft ausgeführt
werden. Ausgaben ihrer Werke dürften – sofern sie „national bedeutend“ sind,
nicht für ausländische Verlage lizensiert werden. Ob Monika Grüttner sich
traut, uns zu sagen, was „national bedeutend“ ist. Wenn sie sich traut, dann
bitte mit Begründung. Sonst wäre es wieder Politiker-Bla-bla-bla.
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