Mittwoch, April 27, 2016
Allerweltsgeschichten. Am besten wird es sein, mit dem
Naheliegenden zu beginnen, mit der Umwelt. Von da aus kann es dann weitergehen
bis in die Unendlichkeit, ins Weltall.
Umwelt. Ein merkwürdiges Wort.
Ich habe das Gefühl, ein typisch deutsches wie Kindergarten und Waldsterben.
Die ganze Welt ist um uns herum. Um die müsste es uns eigentlich gehen. Aber
vielleicht wäre das zu viel für uns. Wahrscheinlich rücken wir die Welt deshalb
näher an uns heran, an unsere Umgebung, an die Dinge, auf die wir zugreifen
können und machen so aus der großen Welt etwas vermeintlich Kleineres: die
Umwelt, die Welt die uns umgibt – mit ihrem Reichtum und mit dem Leichtsinn,
mit dem wir damit umgehen, bis zum Bankrott. Was wir vor unserer Haustür tun
könnten, sollten, müssten, fällt uns schwer, der Protest gegen das Abholzen der
Regenwälder dagegen leicht. So weiten wir den Begriff Umwelt auf den ganzen
Globus aus. Irgendwie scheint das richtig zu sein – und zugleich verlogen. Zumindest betrügen wir uns selbst. Und
tatsächlich ist Selbstbetrug ein gutes Beruhigungsmittel, zugleich aber auch
anregend. Eine schöne Doppelwirkung. Und dann auch noch so fassbar, so
einleuchtend wie der Begriff Fußabdruck, der uns immer ins schlechte Gewissen
funkt, ja, das schlechte Gewissen erst herbeiführt. Fliegen wir in den Urlaub,
hinterlassen wir einen ziemlich großen Fußabdruck in unserer Umwelt. Wenn wir mit
einem SUV durch die Gegend karriolen, einem unsinnig großen Auto, dann geht es
auch da um eine enorme Schuhgröße. Müssen wir uns wirklich so plattfüßig durch
unsere Welt bewegen und sie platt machen. Vielleicht ist das gar nicht so
schlimm wie es sich anhört. Die Umwelt ist schließlich nur eine von vielen
Welten.
Da hätten wir noch die Erste, die
Zweite, die Dritte Welt, mit der Umwelt also schon vier Welten. Die Ein-, zwei-
drei-Welten-Einteilung ist eine Erfindung der Politik, auch der Wirtschaft. Die
Erste Welt wird durch die Industrienationen gebildet, Zweite Welt ist die
Bezeichnung der staatskapitalistischen Länder und die Nr. drei – das sind die Entwicklungsländer. So
einfach ist das. Mir erscheint das alles ein bisschen fragwürdig, und von Dauer
dürfte da nur der Wandel sein, die Grenzen zwischen den drei Welten ändern sich
– mal ein wenig, mal ein wenig mehr. So richtig sind diese Welten nicht, weil
sie Kunstwelten sind. Oder müssen wir sie gerade deshalb ernst nehmen? Es sieht
ganz so aus, wie wir sehen werden.
Es gibt nämlich noch eine ganz
andere Kategorie: die Parellelwelten. Das sind die Welten, die neben unserer
realen Welt daherlaufen, immer im gleichen Abstand. Die Parallelwelten berühren
die reale Welt nicht. Aber sie berühren trotzdem unser Leben und werden so auf
geheimnisvoll erscheinende Art und Weise zum Schluss doch noch real.
Das alles hört sich ziemlich
theoretisch und vor allem rätselhaft an. Um was es geht, zeigt am besten ein
aktuelles Beispiel aus der Wirtschaft. Durch Betrügereien hat das VW-Management
den Konzern in ernste Schwierigkeiten gebracht. Der Betrug wird Milliarden
verschlingen, und schon jetzt macht der Konzern Verluste, dass es nur so
kracht. Sparen ist angesagt, aber nicht „an allen Ecken und Enden“, wie gesagt
wird, sondern bei den Mitarbeitern. Ihre Erfolgsprämien nach Abschluss eines
Geschäftsjahres wird es nicht mehr geben, jedenfalls nicht in gewohnter Höhe.
Die Vorstände dagegen sind entschlossen, ihre Boni in Millionenhöhe zu
kassieren, Verluste hin, Verluste her. Und so ist der Vorwurf ohne Frage
berechtigt, „sie hätten sich im Laufe der Zeit in einer Art Parellelwelt eingerichtet,
einer eigenen Komfortzone, die mit der Lebenswirklichkeit der meisten Menschen
nicht mehr viel zu tun habe“ (Süddeutsche Zeitung, 25. April 2016).
Dies ist eine von unzähligen
Parallelwelten. Denken wir nur daran, dass auch unsere Politiker sich in einer
Parallelwelt eingerichtet haben, die mit der Lebenswirklichkeit von Hinz und
Kunz, dem Mann von der Straße, nichts zu
tun haben. Sie berechnen mit Hartz IV, wie wenig ein Mensch zum Leben braucht,
ein Leben, das Sie sich gar nicht vorstellen können, jedenfalls nicht für sich
selbst. Pensionen von mehreren tausend € im Monat, oft schon nach wenigen
Jahren „im Dienst“ und dort eine Altersrente, die fürs trockene Brot gerade
reicht. Ja, das sind Welten, die sich nicht berühren, die nebeneinanderher
laufen und sich nie treffen.
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