Mittwoch, April 13, 2016

Geschleiftes Deutsch


Früher versuchten Städte sich durch Stadtmauern, Wälle und Gräben vor Feinden zu schützen. Als das vor geraumer Zeit keinen Sinn mehr machte, schleifte man die Befestigungen, machte sie dem Erdboden gleich und verwandelte sie in prachtvolle Straßen wie die Ringstraße in Wien oder  in Parks, also in allerhand Sinnvolles. Wohlgemerkt: Man schleifte die Befestigungen. Man schliff sie nicht.

Nun ist unsere Sprache alles andere als eine Festung, und doch wird sie behandelt wie etwas, das man nicht mehr braucht. Sie wird sozusagen dem Erdboden gleich gemacht. Selbst eine Literaturwissenschaftlerin wie Gertrud Höhler beteiligt sich daran und verwechselt geschleift und geschliffen. Von geschliffenem Deutsch kann da nicht die Rede sein, von geschleiftem Deutsch aber wohl.

Was wollen wir da einem namenlosen Journalisten vorwerfen, der in seinem Unfallbericht schreibt, der Porsche habe mehrere Bäume gestriffen? Gestriffen! Er befindet sich in bester Gesellschaft, siehe Frau Höhler.

Soll ich mich aufregen? Bevor ich weiter gegen den Missbrauch unserer Sprache stänkere, will ich doch schnell mal in meinem Kleiderschrank nachsehen. Ich glaube, da liegt noch ein gestriffenes Hemd, das ich lange nicht mehr getragen habe.