Montag, November 23, 2015

Big Data

Unter dem Titel „Kopf oder Zahl“ schreibt DER SPIEGEL in Ausgabe 47 vom 13. November einleitend: „Big Data. Die sagenhafte Masse verfügbarer Daten macht den modernen Menschen lesbar bis in sein Innerstes. Gestützt auf Algorithmen, hält totale Überwachung im Arbeitsleben Einzug. Eine Reise durch die kalte Welt der Datenanalysten. Autor: Uwe Buse.

Der Autor handelt das Thema ausgehend vom Beispiel des Celebration-Health-Krankenhauses in der Nähe von Orlando, Florida ab. Ashley Simmons ist die Beauftragte für Effektivität in diesem Krankenhaus. Dort gab es ernst zu nehmende Probleme in der Kommunikation und in den Arbeitsabläufen. Diese Probleme hat die Dame mit einem Big Dat-Konzept gelöst. Alles, aber auch wirklich alles, was die Mitarbeiter – Ärzte und Management ausgenommen – tun, oder auch nicht, wird erfasst. Wie lange sich Pflegerinnen in welchem Krankenzimmer oder im Schwesternzimmer aufhalten, wird ebenso erfasst wie jede andere Tätigkeit oder Untätigkeit. Wenn die Mitarbeiter aus dem Überwachungssystem verschwinden, weiß das Management: Sie sind aufs Klo gegangen.

Diese Big Data-, diese Big Brother-Überwachung bringt die erstaunlichsten Ergebnisse zutage, zum Beispiel: Schwarze Patienten brauchen weniger Aufmerksamkeit durch das Personal als weiße, um zufrieden zu sein. Männer brauchen weniger Zuwendung als Frauen, dafür sollte der einzelne Besuch einer Schwester länger dauern als eine Stippvisite. Frauen dagegen fühlen sich besser nach häufigen, kurzen Besuchen von Schwestern oder Pflegern. Am schwierigsten sind Frauen zwischen 35 und 45 Jahren, egal ob verheiratet oder nicht. Alle diese Ergebnisse werden für die Verbesserung der Krankenhauseffizienz, also der Wirtschaflichkeit genutzt. Das Wohl der Patienten steht nicht im Vordergrund.

Das Celebration-Krankenhaus baut das Arbeitsverhältnis nicht länger auf Vertrauen und maßvoller Kontrolle auf, die Verhältnisse stehen vielmehr Kopf. Mittels totaler Kontrolle soll alles optimal laufen. Zitat: „Aber so könnte auch ein intelligenter Diktator argumentieren.“

Weiter heißt es „Die Gegner beklagen, dass diese Welt eine unmenschliche sein wird. Fest steht, dass alle kapitalistischen Gesellschaften  in Richtung Big Data marschieren werden, allein Kostendruck und Konkurrenz sorgen dafür, nicht nur in den USA, auch in Europa… Am Ende, das ist die Vision, soll jeder Mensch bis ins Letzte berechenbar sein, für Firmen, Arbeitgeber und Regierungen – und es wird heißen: Er tue alles nur für sich und sein Glück.

Ich brauchte gar nicht so weit zu lesen, um für mich zu notieren: Es gibt Rätsel, die sollten rätselhaft bleiben. Dazu gehört der Mensch. Je berechenbarer wir ihn machen, desto unmenschlicher wird er. Der Mensch – eine Maschine.

Wie sich alles entwickeln wird, so heißt es gegen Schluss, „hängt nicht von den Maschinen ab, sondern von den Menschen, die sie bedienen, und es ist nicht einfach zu sagen, ob das eine gute Nachricht ist“. Doch, das lässt sich sehr wohl sagen: Es ist eine schlechte Nachricht.
16. 11. 2015