Dienstag, September 15, 2015

Was uns Deutschen fehlt

Gestern Abend habe ich mir im NDR-NORD  die „Last night oft the Proms“ der BBC angesehen. Wie in den vielen Jahren zuvor, war ich auch diesmal begeistert. Da geht einem das Herz auf. „Rule, Britannia, Britannia, rule the waves…“Gefühl vor allem und Verstand hinterher. Das muss nicht verkehrt sein.

Keine Frage: Gefühle sind dem Verstand überlegen. Gefühle kennen kein Wenn und Aber, sie beherrschen uns. Die „Last night of Proms“ sind ein besonders über-zeugender Beweis.

Die Macht der Gefühle ist überwältigend, aber wir sollten den Verstand nicht zu kurz kommen lassen – auch wenn es schwierig ist, hier immer wieder das Gleichgewicht zu finden.

So unbefangen und begeistert die Briten ihr „Rule, Britannia“ singen, so verklemmt gehen wir Deutsche mit einer Zeile unserer Nationalhymne um, einer Zeile, die inzwischen nicht mehr dazu gehört: „Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt.“

Nicht nur die Nazis haben haben dieser Zeile unterstellt, was sie gar nicht meinte. Gemeint war nicht die Weltherrschaft, nach der die Nazis strebten, gemeint war der Wunsch, mit dem Flickenteppich der vielen kleinen deutschen Königreiche, Herzog-tümer, Grafschaften und so weiter. Alle sollten sich zuerst als Deutsche empfinden
und danach in Gottes Namen auch als Bayern, Württemberger, als Untertanen des sächsischen Königs.

Hier wurde ein Missverständnis missbraucht, so gründlich, dass wir die Sache nicht mehr in Ordnung bringen können. Oder wie ist es mit den sechs Millionen Juden, die im Namen Deutschlands ermordet wurden?

Lassen wir es also. Trotzdem halte ich es für sinnvoll, gelegentlich über dieses Missverständnis nachzudenken und darüber zu sprechen. Das gebietet allein die Ehrlichkeit, die wir dem Autor dieser Zeile, Hoffmann von Fallersleben, schuldig sind.