Dienstag, September 15, 2015

Sprachkrittelei, die soundsovielte

„Wer viel ließt, ist schlauer“ schrieb vor Jahr und Tag die Badische Zeitung. Da waren die Sprachreformen eins und zwei noch nicht verdaut. Ob man durch viel Lesen schlauer wird, will ich mal dahingestellt sein lassen. Eine gewisse Anregung nachzudenken, ist jedoch nicht von der Hand zu weisen.

Das Wörtchen Majortitel, heute, am 15. September 2015 im Sportteil des Hamburger Abendblatts, zu lesen, lässt die Gedanken spazieren gehen.  Majortitel? Generaltitel? Hauptmanntitel? Nein, hier geht es nicht ums Militär. Hier geht es schlicht um Faulheit des Redakteurs. „major title“, hat er sich nicht getraut zu schreiben, obgleich er bestimmt wie viele seiner Kollegen die englische Sprache zu gern ausplündert. Gemeint war schlicht und ergreifend der Gewinn eines international bedeutenden Tennisturniers.

Wer von uns hat schon mal was versickert – ja, versickert, nicht versichert? Ich bin sicher: niemand. Einem Hamburger Abendblatt-Redakteur scheint das jetzt gelungen zu sein; denn er schreibt: „…das Wasser wird versickert.“

Lieber Redakteur, lassen Sie mal Ihren Sprachunfug versickern, bevor Ihnen die Sache bis zum Hals steht.

Selbstverständlich durfte heute auch die After Work Party nicht fehlen. Schon mal was von Feierabend gehört? Feierabend klingt so nach Pantoffeln, nach alten Leuten? Heute trägt man Sneakers? Ach so, das ist es. Es gibt keine alten Leute, es gibt nur noch Best Agers.

Also, was ist? Schlagt uns doch nicht jedes deutsche Wort tot! Menschen im besten Alter geht doch auch.

Kleine Unterschiede, kleine Bereicherung. Wenn jemand gegen Treu und Glauben handelt, dann sprechen wir von Veruntreuung. Ein schreckliches, verachtendes, kaltes Wort – zu recht.
Die Schweizer nennen das ungetreue Geschäftsbesorgung.  Das klingt im ersten Augenblick richtig gemütlich, als wäre das gar nicht so schlimm. In Wirklichkeit ist dieser Ausdruck genauer. Aus der weltenweit entfernten, „rein sachlichen“ Bezeichnung Veruntreuung wird etwas, hinter dem Menschen stecken, Menschen, die etwas getan haben, was sie nicht hätten tun sollen. Vielleicht ein Anlass, sich nicht immer hinter Sachen zu verstecken, die alles anonym machen und mehr unsere Unzulänglichkeiten beim Namen zu nennen. Ich finde, den Schweizern gelingt das hier vorzüglich.
15.  09. 2015