Sonntag, September 06, 2015

Ein Hauch von Selbstkritik

Meine „Tagebuch“-Notizen lassen keinen Zweifel: Ich habe an vielem etwas auszusetzen, zu bemäkeln, zu kritisieren. Und das mache ich dann. Die Kritiken fallen unterschiedlich aus: mal milde und verständnisvoll, mal bissig und gnadenlos.

Wenn zum Beispiel der Bundestagsabgeordnete Charles M. Huber behauptet, „Alle dunkelhäutigen Menschen fühlen sich von der Bezeichnung Neger beleidigt“, dann mag er das glauben. Aber es stimmt nicht. Der Neger Roberto Blanco hat ihm widersprochen. Herr Charles M. Huber spielt sich nur auf, und deshalb nenne ich ihn einen Klugscheißer. Eine milde Kritik, finde ich – nicht bissig, nicht gnadenlos. Aber beleidigt wird der Herr schon sein.

Am AfD-Fraktionsvorsitzenden Kruse in der Hamburger Bürgerschaft habe ich etwas ganz anderes auszusetzen. Wie viele Politiker möchte er offensichtlich drastisch, plastisch, bildhaft sprechen, um damit Eindruck zu machen. Das führt dann zu sehr merkwürdigen Äußerungen, zu lächerlichen, dümmlichen Formulierungen wie hier: „Wir haben doch eine Konsenssoße bei dem Thema Flüchtlinge, da muss man manchmal hineingrätschen.“ Großartig. Machen Sie mal, Herr Kruse. Das wird tüchtig spritzen. Da muss anschließend so manches in die chemi-sche Reinigung, um die Konsenssoßenspritzer zu beseitigen.

(Wie, lieber Herr Kruse, wäre es so: „Beim Thema Flüchtlinge werden alle Argumente in einen Topf geworfen und so lange verrührt, bis das Ganze eine ungenießbare Soße geworden ist. Da machen wir nicht mit.“ Das wäre dann bildlich wenigstens in Ordnung.)

Schnell noch dies: Wie verquast sich Politiker ausdrücken, auch PolitikerInnen, hat uns Frau Merkel vor ein paar Tagen vor Augen geführt und um  die Ohren gehauen: „ Nicht erkennbare Bleibeperspektive.“ In schlichtes Deutsch übersetzt: „Ich weiß nicht, ob ich bleiben darf. Ich habe keine Ahnung, ob ich bleiben darf. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt Aussichten habe.“

Liebe Frau Merkel, wollen Sie sich nicht endlich darum bemühen, das sprachliche Niveau Ihrer Mitbürger zu erreichen, aufzusteigen und nicht länger tief unten im finsteren Sprachkeller der Politik zu bleiben? Einfach mal begreifen, dass auch eine Hartz-4-Frau so wie Sie zwei Beine hat, zwei Arme, einen Kopf zum Denken und ein Herz zum Fühlen? (In welche Kategorie fällt diese Kritik?)

Jetzt zu einer ganz anderen Kritikabteilung: „Hamburgs Wirtschaft stellt sich klar hinter Olympia-Bewerbung“ – so das Hamburger Abendblatt heute, am 4. September 2015 auf Seite 21. 69 Prozent der Mitglieder der Handelskammer haben sich in einer repräsentativen Umfrage für die Olympischen Spiele 2024 in Hamburg ausgesprochen. Was habe ich daran auszusetzen? Gibt es da überhaupt etwas zu kritisieren? Eigentlich nicht viel, aber etwas Wesentliches:

Die Olympischen Spiele sind kein Sportereignis, sondern eine Geldmaschine. Es geht, um Milliarden, um Geld für das IOC, die Funktionäre und die Wirtschaft. Böse gesagt: Die Olympischen Spiele sind entarteter Sport, die Sportler Marionetten, und die Städte, die Olympische Spiele ausrichten, bleiben auf Milliardenschulden sitzen. Rom stottert noch heute die Schulden von 1960 ab.

Ich finde: Die Wirtschaft sollte die Finger von den Olympischen Spielen lassen, genau so wie die Poliltik. Die Dinge stehen Kopf und sollten endlich wieder auf die Füße gestellt werden, wie es in einem Leserbrief im Hamburger Abendblatt zu lesen war:

„Vom Kopf auf die Füße. (22./23. August: ‚Olympia: Behörden widersprechen Rechungshof) Die Auseinandersetzung zwischen Rechnungshof und Behörden erscheint mir teils lächerlich, teils ernst zu nehmen. Beide Parteien sprechen besonders engagiert über ungelegte Eier. Aber wenn die erst mal im Nest liegen? Wer zahlt, und wieviel? Ernst zu nehmen ist sicherlich der Hinweis des Rechnungshofs, dass bisher noch jede ‚Olympia-Stadt’ draufgezahlt hat und auf Schulden sitzen geblieben ist. Das IOC kassiert Millionen, und die ‚Olympia-Städte’ stottern ihre ‚Olympia-Schulden’ jahrzehntelang ab wie Rom seit den Spielen 1960. – Wie wäre es, die Sache endlich mal vom Kopf auf die Füße zu stellen? Warum müssen sich Städte um die Ausrichtung einer Olympiade bewerben? Es wäre doch viel einleuchtender, wenn sich das IOC bei den Städten bewerben würde. Das würde dann beispielsweise so aussehen: IOC an Hamburg: ‚Hallo, Hamburg, die nächsten Olympischen Spiele würden wir gern in Hamburg, in eurer großartigen Stadt austragen. Könnt Ihr uns schon mal mitteilen, wie viel wir schätzungsweise dafür zahlen müssten?’ Peter Gudelius, Quickborn.“

Natürlich lässt sich diese Maschinerie, dieser Unsinn (Wahnsinn?) nicht aufhalten. Aber wir sollten uns wenigstens darüber klar sein, worum es geht: GELD. Klar, dass da auch die Hamburger Wirtschaft für die Olympiade ist. Sie zahlt ja nicht dafür, sondern kassiert. Die Bürger der Frohen und Hanselstadt Hamburg blechen.