Montag, November 03, 2014

"Politik ist nichts Schmuddeliges"...

…schreibt das Hamburger Abendblatt auf Seite 4 seiner Wochenendausgabe 1./2. November 2014. Aber was dann kommt, ist herz- und verstandzerreißend. Das ist aber nicht Schuld des Abendblatts; es berichtet nur.

Von allen guten Geistern verlassen haben sich schleswig-holsteinische Politiker geäußert. Sie wollen jetzt gemeinsam, also SPD, CDU, Grüne, FDP und Piraten, gegen den rasanten Akzeptanzverlust ihrer Zunft kämpfen.

„Ziel einer am Freitag vorgestellten Kampagne ‚Demokratie lebt von Beteiligung’ ist eine höhere Wählquote auf Landes- und kommunaler Ebene, aber auch mehr Anerkennung für diejenigen, die sich politisch betätigen.“ Da will man nicht zimperlich vorgehen und das heißt:

Gemeinden dürfen Wahlwerbung in ihren Straßen nicht mehr einschränken, sollen öffentliche Gebäude ‚grundsätzlich und kostengünstig’ für Veranstaltungen zur Verfügung stellen, müssen künftig ‚von restriktiven Bestimmungen für die Durchführung von Wahlkämpfen absehen’.

Die „Botschaft“ der Landtagsparteien: Wahlkämpfe und Politik seien ‚nichts Schmuddeliges’, sondern ‚Festtage der Politik’.

Also: Politik ist keine Festtagsveranstaltung, sondern – wenn ernst genommen – harte Arbeit. Und die Wahlkämpfe sind alles andere als ‚Festtage’. Sie sind mit ihren Allerweltsparolen eine einzige Peinlichkeit. Das Blaue wird vom Himmel herunter-, nein, ich will nicht sagen -gelogen, aber heruntergebetet. Festival der Gaukler – so könnten wir die Wahlkämpfe nennen, ohne zu übertreiben.

Nun sollen die „Festtage der Politik“ auch in die Schulen getragen werden, jedenfalls, wenn ein Wahlkrampf, pardon, Wahlkampf, ansteht. Kommunal- und Landespolitik sollen im Vorfeld von Wahlen Unterrichtsgegenstand werden. ‚Besuche von Politikern und Politikerinnen an den Schulen sind erwünscht’ heißt es.

So geht es dann mit Klein-bei-Klein-Vorschlägen weiter, nicht zuletzt auch, weil zu vermuten ist, dass dieser ganze Unsinn von den Wählern bezahlt werden soll und nicht von den Parteien.

Ganz zum Schluss des Abendblattberichts ist dann der Grund für die ganze Aufregung zu lesen:

„Seit Mitte der 1970er-Jahre sank die Wahlbeteiligung vn fast 85 Prozent auf zuletzt knapp über 60 Prozent. Bei den Kommunalwahlen 2013 sackte sie sogar auf das historische Tief von 46,7 Prozent.“

Spannende Frage: Woran liegt das?

Antwort Nr. 1: Klarer Fall. Das liegt an den doofen Politikern. Die haben von nichts eine Ahnung, denken nur an sich selbst und ihre Pöstchen. Und korrupt sind sie manchmal auch noch. Dann erzählen sie auch noch alle vier, fünf Jahre, der Wähler sei der Souverän, vergessen das aber gleich nach der Wahl.

Antwort Nr. 2: Klarer Fall. Das liegt an den doofen Wählern. Die wollen ja nur bedient werden, selbst aber nichts tun. Und in ihrer Gier gehen sie selbst dem dümmsten Versprechen auf den Leim. Sie glauben das Märchen vom Volkssouverän. Selbst schuld!

An beiden Antworten mag dies und das dran sein, aber sie treffen die Sache nicht wirklich.

Beide Seiten sind faul geworden, haben sich in ihrer Welt eingerichtet.

Die Politik  hat keine eigene Meinung mehr, sie holt sie sich durch Meinungsum-fragen. Stellung beziehen, eine eigene Meinung vertreten, ist nicht angesagt. Man könnte ja anecken! Parteidisziplin scheint alles zu sein. Fraktionszwang wird groß geschrieben. Und macht jemand das Maul auf, bekommt er schnell etwas auf die Fresse.

Und wir Wähler? Kein Interesse an Politik, es sei denn die Grundsteuer soll erhöht werden oder der Eintritt zum Freibad wird teurer. Der lokale Parteienklüngel? Wird hingenommen. Landespolitik? Ach, du liebe Güte! Da müssten wir ja mitdenken, um mitreden zu können. Na, lieber nicht. Da habe ich Besseres zu tun - usw. usw.

Nehmen wir das mal als eine einigermaßen zutreffende Momentaufnahme.  Was tun?

Millionen aufzuwecken, ist schwieriger als ein paar tausend Menschen auf den Weg zu bringen. Also sollten die Politiker anfangen. Bestimmt findet sich der eine oder andere Bürger, der ihnen dabei hilft.