Freitag, September 26, 2014

Insel der Seligen

Es gibt ja immer etwas zu meckern, ganz besonders, wenn es um Politik geht. Viel zu vieles ist auch bei uns in Deutschland zu kritisieren, einfach, weil es nicht in Ordnung ist. Nicht nur unsere Politiker, auch wir Bürger mogeln uns an vielen Ungerechtigkeiten vorbei. Mal fühlen wir uns ungerecht behandelt, mal sind wir selbst ungerecht. Manchmal stellt sich das Gefühl ein, dass alles aus dem Ruder läuft, dass Ehrlichkeit und Anstand zu Seltenheitswerten werden. Und wenn wir über die Grenzen sehen, zu unseren Nachbarn? Da scheint es nicht anders zu sein. Verdammt! In welcher Welt leben wir eigentlich?

Nein, ich rede diese täglichen Sünden nicht klein. Und dann erfahre ich im Auslandsjournal des ZDF am 24. September, dass in den USA 80.000 Menschen über Jahre und Jahre, manchmal Jahrzehnte in Einzelhaft eingesperrt sind.

Eine kleine Zelle mit so gut wie nichts. Keine Aussicht. Kein Gespräch. Nichts, nichts, nichts. Niemand spricht mit dir, und du sprichst mit niemandem. Du ruhst, nein, die faulst in dir selbst. Du darfst nichts tun. Du löst dich auf. Du bist nicht mehr du selbst. Du bist nichts. Und genau das treibt dich in den Wahnsinn. Ich kann mir keine schlimmere Folter vorstellen.

Und nun? Die USA – der Inbegriff der Demokratie, der Freiheit, der Menschlichkeit?  Mit welchem Recht nehmen die USA das in Anspruch? Sie berufen sich auf die Verfassung. Die liest sich gut. Die Verfassung, in der sich die USA befinden, ist katastrophal.

Folter? Nicht nur in Guantanamo, sondern in zig Gefängnissen. Todestrafe? In vielen US-Staaten Gang und Gäbe – häufig auf unmenschliche Weise. Was wird China vorgeworfen? Das, was man selbst praktiziert: die Todesstrafe. In Russland gibt es die Todesstrafe nicht mehr, und Jahre im Gulag? Schrecklich genug, aber nicht so zynisch, so menschenverachtend wie die Isolationshaft in den USA-Gefängnissen.

Nein, ich will die USA nicht gegen Russland und China ausspielen. Ich möchte nur, dass die US-Verlogenheit nicht als vorbildliche Demokratie bezeichnet wird.

Es juckt mich – es wäre ja auch angebracht – etwas über die Expansionspolitik der USA und Russlands zu sagen. Wo ist der Unterschied? Beide mischen sich dort ein, wo es ihren vermeintlichen Interessen zu dienen scheint, Völkerrecht und Menschlichkeit hin und her. Es juckt, aber ich will nicht kratzen. Das macht alles noch viel schlimmer. Deshalb: Schluss für heute.

Schnell noch eine Nachbemerkung: Ich habe das Gefühl, dass wir in Deutschland, dass wir in Europa auf einer Insel der Seligen leben. Irre ich mich? Hoffentlich nicht.
25. 09. 2014