Dienstag, September 09, 2014

Anders oder besser?

Die Versuchung ist groß zu sagen, dass früher (früher, wann war das?) alles besser war. Vorsicht! Nicht alles war besser, aber vieles war anders. „Früher“ haben wir länger arbeiten müssen für unseren Lebensunterhalt. Heute jammern Funktionäre, dass schon 38 Arbeitsstunden in der Woche krank machen. „Früher“ hatten wir den Kaufmann um die Ecke. Heute brauchen wir für den Einkauf im Supermarkt ein Auto. „Früher“ waren wir bescheidener, weil wir bescheidener sein mussten. Haben wir darunter gelitten? Wir wollten nur, dass es uns besser geht. Das Ergebnis: „Es geht uns anders.“ (Das ist sprachlich ziemlich schräg, trifft aber zu.)

Warum ich das schreibe? Weil ich vor ein paar Minuten in einer Zeitschrift blätterte und mich die Frage überfiel, ob Blättern noch „in“ ist oder chancenlos. Werde ich morgen noch blättern können – in Zeitungen, Zeitschriften, Büchern? Oder muss ich scrollen?

Blättern oder scrollen – das ist hier die Frage. Scrollen im E-Book ist klinisch rein. Da färbt keine Druckerschwärze ab wie bei der Zeitung. Da kleben die Seiten nicht zusammen. Und ein E-Book passt notfalls auch in die Hosentasche. Das schafft nicht mal ein Taschenbuch. Das E-Book vergilbt auch nicht. Leben im Reinraum, so wie in einem Operationssaal. Will ich das?

Ich lese meist nicht nur mit den Augen, sondern auch mit einem Bleistift. Genauer: Ich streiche mir Wichtiges an, kritzle Bemerkungen auf die Seitenränder. Ich benehme mich beim Lesen ziemlich unmöglich. Ich fürchte, das alles kann ich beim E-Book nicht machen. Und wenn, dann dürfte es nicht dasselbe sein.

Ich will mich aber nach E-Book-Maßstäben unmöglich benehmen. Ich will blättern und nicht scrollen. 09. 09. 2014