Freitag, August 22, 2014

Noch ein Gesetz

Noch eins! Als hätten wir nicht schon mehr als genug davon. Es fehlt nicht mehr viel,  und unsere unermüdliche Gesetzgebung hat uns in eine Zwangsjacke gesteckt, aus der es kein Entkommen mehr gibt. Freie Entscheidungen? Nicht mehr möglich. Sich selbst behaupten in einer nicht immer freundlichen Welt? Kommt nicht infrage. Der Einzelne könnte ja versagen. Da sei das Gesetz vor.

Worüber rege ich mich auf? Ach ja, DER SPIEGEL 34/2014 35: „Nacht-Mail-Verbot“, – der Titel. „Ein Gesetz soll verhindern, dass Arbeitnehmer noch spätabends ihre Nachrichten checken. Ausgerechnet Ministerin Nahles zögert.“ – der Vorspann.

Frau Nahles ist offensichtlich ein Arbeitstier. Das sei ihr unbenommen. Was sie von ihren Mitarbeitern fordert, scheint oft eine Überforderung zu sein. So heißt es „Im Haus häufen sich die Beschwerden, die Work-Life-Balance habe gelitten.“ Ist ja toll!

Work-Life-Balance? Ich übersetze das mal in Arbeits-Lebens-Gleichgewicht. Klingt ziemlich teutonisch, stimmt aber. Und was fällt da auf? Dass Arbeit und Leben zwei ganz verschiedene Dinge sein müssen. Sind sie aber nicht. Arbeit gehört zum Leben, jedenfalls für die Menschen, die von ihrer Hände-und-Kopf-Arbeit leben. Deshalb lassen wir das mal mit der Balance.

„Nur in begründeten Ausnahmefällen“ sollen Beamte und Angestellte in der Freizeit gestört werden dürfen, um die „Selbstausbeutung der Beschäftigten zu vermeiden“, notiert DER SPIEGEL weiter.

Hoppla! Selbstausbeutung? Wenn ich richtig gelesen habe, beutet Frau Nahles ihre Mitarbeiter aus. Die lassen sich ausbeuten. Das dürfen wir ihnen natürlich nicht erlauben.

„Man muss die Menschen auch vor sich selbst schützen“, so Christian Bäumler, Vizechef des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA. „Wir müssen hier Grenzen setzen, sonst werden die Leute krank.“

Das ist nichts anderes als eine Entmündigung der Bürger. Den Rücken sollte man ihnen stärken, ihnen Mut machen, Rückgrat zu zeigen, und kein heia-popeia, wir machen das per Gesetz für euch.

Noch mal kurz zurück zu Frau Nahles. „Sie hält es offenbar nicht nur für einen Nachteil, dass die modernen Kommunikationsmittel zu einer flexibleren Arbeitswelt beitragen“, so DER SPIEGEL. Das ist ganz schön raffiniert. Sie sagt „flexiblere Arbeitswelt“, meint aber Mehrarbeit: So kann man versuchen, die Leute an der Nase herumzuführen. Dummerweise scheint das meist zu gelingen.

19. 08. 2014