Montag, Februar 04, 2013

Sex sells, und Political Correctness ist sexy

Wir haben seit einigen Tagen eine Sexismusdiskussion, die zum Himmel schreit, so laut wird sie geführt. Eine SPIEGEL- und eine STERN-Redakteurin haben diese Debatte losgeschrieben (beinahe hätte ich wie ein Politiker „losgetreten“ geschrie-ben). 42 % der Frauen in Deutschland sollen sich schon 2004 belästigt gefühlt haben, wohl sexuell belästigt. Es scheint noch schlimmer geworden zu sein.

Jetzt frage ich mich: In welcher Welt habe ich eigentlich gelebt? Beruflich einige Jahrzehnte in der recht lockeren Welt der Werbung. Kinder von Traurigkeit waren die Jungs und Mädels nicht. Aber ich habe nie erlebt, dass einer meiner Kollegen einer Kollegin in den Hintern gekniffen hat. Und so blöde Worte wie „Knackarsch“ habe ich auch nie gehört. Dabei waren die Agenturen, in denen ich gearbeitet habe, keine Klöster.

Offenbar habe ich in der 58 %-Welt gelebt, in der Welt der Frauen, die sich nicht belästigt gefühlt haben. Vielleicht bin ich ja ein Zimperling und habe deshalb nichts
mitgekriegt. Ich habe schon als kleiner Junge die dreckigen Witze gehasst, die sich
mit Mädchen „befassten“. Das hat sich auch nicht geändert. Ich fand es immer eklig,
wenn jemand die Sau raus ließ, die Sau, die er selbst war.

Eine Haustür daneben haben wir das inzwischen etwas abklingende Thema der Political Correctness, das uns unsere Familienministerin Kristina Schröder serviert hat mit ihrem man könnte ja auch „das Gott“ sagen.

So originell, was das dargestellt wird, ist das gar nicht. Im Rheinland ist es Gang und Gäbe, von „dat Mensch“ zu sprechen. Wenn „dat Mensch“ geht, dann geht auch „das Gott“.

Nur eins geht nicht: das Umschreiben alter Bücher. Meine Frau hat das Problem auf den Punkt gebracht. Wenn wir anfangen, Bücher umzuschreiben, Zeitdokumente, dann machen wir genau das, was uns bei George Orwell so erschreckt hat: Wir schreiben die Vergangenheit um – so wie wir sie gern hätten. Das dürfen wir nicht zulassen.  03. 02. 2013