Dienstag, Januar 22, 2013

Ich habe Sie nicht verstanden

Diesen Satz wagt heute kaum noch jemand auszusprechen. Man könnte ihn für dumm halten. So erklärt sich die so oft gehörte Äußerung „Ich habe Sie aktustisch nicht erstanden.“ Anderenfalls würde der Eindruck verstehen, man könne dem Ge-sagten inhaltlich nicht folgen, wäre also zu blöd.


Zu blöd? Das wollen wir uns mal genauer ansehen, unsere Blödheit. Da hätten wir um Beispiel „prioritär“. Das Wort habe ich wie die meisten noch nie in den Mund genommen, weil ich gar nicht weiß, was es heißt. Und unter einer prioritären Be-
handlung kann ich mir wirklich nichts vorstellen.

Mit einem Anflug von Latein kann man darauf kommen, dass das irgendetwas mit Vorrang, mit Wichtigkeit, zu tun hat. Und tatsächlich geht es bei „prioritärer Be-
handlung“ um Sachen, die vor allen Dingen erledigt werden müssen, die dringend sind, vordringlich – sofort, sofort, sofort! Warum sagen wir nicht: Das muss sofort gemacht werden!

Wir verschanzen uns lieber hinter so gewaltigen Wörtern wie Handlungsbedarf. „Da besteht ein Handlungsbedarf“, sagen wir und wollen nicht zugeben, dass wir da etwas untenehmen, etwas tun müssten.

Machen wir uns die Mühe das schrecklich Wort Handlungsbedarf mal auseinander-zunehmen. Da haben wir Handlung. Und da haben wir Bedarf. Nur die deutsche Sprache hat die Begabung, Inhalte zusammenzuführen, die gar nicht zusammengehö-ren.

Also Handlung. Auf unser Thema eingegrenzt bedeutet das irgendeine Tätigkeit.
Und Bedarf? Da wird etwas gebraucht. Das klingt nicht nur umständlich, das ist es auch. Gemeint ist: Hier müssen wir etwas tun. (Hier muss etwas geschehen,  würde die Sache schon nicht treffen; denn wer soll für das Geschehen sorgen?) 

Also anstelle von Handlungsbedarf: Wir müsen etwas tun, da muss etwas getan werden. Nur so lässt sich der Handlungsbedarf abschaffen.

Und so geht es dann weiter mit dem „Ich habe Sie nicht verstanden“.

„Die Mannschaft war heute fokussiert“, sagte der Trainer der deutschen Handball-nationalmannschaft. Hoffentlich haben die Jungs keine Brandblasen davon getragen. Im Fokus kann so alles Mögliche in Flammen aufgehen. Herr Heuberger hat wohl gemeint, dass die Mannschaft konzentriert gespielt hat, sich zusammengenommen und ihre Stärken ausgespielt hat.

So reden wir uns vor uns hin. Ich würde es wohl nicht besser machen. Es ist schwierig, in einer aufgeregten Situation die richtigen ruhigen Worte zu finden.

In Funk und Fernsehen sollte das möglich sein. Deshalb verstehe ich nicht, weshalb neulich im Fernsehen (Sender?) von Drittstaaten die Rede war.  Drittstaaten? Und die Zweitstaaten? Und die Erststaaten?n „zweit“ und „dritt“ war nicht die Rede.

Bevor es ganz schlimm wird, schnell noch ein Wort zur Sprachludrigkeit auch unserer Bundeskanzlerin: „…ein Stück weit traurig“ traurig sei sie, was die Nieder-
sachsenwahl angeht. Teilt sie ihre Traurigkeit in Stücke? Hier ein Stück, dort ein Stück?  Das eine vielleicht größer, das andere kleinere? Ein Stück weit! Hoffentlich klemmt diese Sprachschublade bald, damit nicht so ein Unsinn herausgezogen werden kann.

Zum Schluss zum ganz Schlimmen. Ich stolperte heute über daas Wort Umerzie-
hungslager.  Das fand ich in einem Spiegel-Online-Bericht über Nordkorea. Die Schmidt-Google-Tochter berichtete über ihrn Besuch in diesem fremden Land.

(Sind unsere Schulen nicht auch Umerziehungslager? Sollen sie nicht wett machen, was die Eltern versäumen?  Anstand, Höflichkeit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit. Das scheint nicht „ein Stück weit“, sondern Stück für Stück verloren gegangen zu sein.)