Montag, Januar 28, 2013

Locker bleiben!


Jeden Tag wird grober Unfug mit unserer Sprache getrieben. Ehrlich gesagt, ärgere ich mich oft darüber, rege mich manchmal – in besonders schlimmen Fällen – auch auf wie im folgenden Fall:

„Am liebsten hätte ich abgewunken

Eigentlich sollte ich resignieren. Aber ich kann es nicht lassen. Fehler wie "Später sponnen sie den Gedanken…weiter…" springen einem geradezu ins Gesicht. (Hamburger Abendblatt heute, Seite 48.) Ein Schreibfehler wird es nicht sein, dazu
liegen a und o auf der Tastatur zu weit auseinander.“


Und nun mal zur Sache! Da muss ich die berühmte Medaille bemühen, die die genau so berühmten beiden Seiten hat. Ich habe mich viel zu sehr mit der hässlichen Seite befasst und die schöne Seite, die lustige, nicht angesehen. Das will ich jetzt nachho-len, in einem ersten Versuch.

Zuallererst fällt mir da German Call ein, der Mann, den es nie wirklich gab. Er war eine Erfindung der Telecom. Unzählige Telecom-Kunden beschwerten sich nach Erhalt ihrer Telefonrechnung, dass sie niemals mit einem Menschen namens German Call telefoniert hätten. Hatten sie auch nicht. Irgendwie war das der Anfang einer ärgerlich-lustigen Geschichte, die wie ein Supercomic nie zu Ende gehen wird, jede Wette!

Backshop ist auch so ein Wort. Fragen Sie mal einen Engländer, was das heißt. Klarer Fall: Hinterhofladen. Weit gefehlt. Ist irgendein Laden, in dem ein Schnell-backautomat steht, der vorgefertigte Teiglinge (Feiglinge wäre ein hübscher Ver-
schreiber,  kommt bestimmt auch noch irgendwann und irgendwo) zu frischen Brötchen verwandelt.

Kids Castle ist nun was ganz Neues. Das gibt es jetzt bei der Deutschen Bahn in den in Hammerbrook gebündelten Abteilungen, siehe Hamburger Abendblatt vom 28. Januar 2013. So nennt die DB ihre Kindertagesstätte. Kinderburg wäre doch auch ganz lustig gewesen, hätten wahrscheinlich viel mehr Menschen auf Anhieb verstanden.

Natürlich, Kinderburg klingt so altmodisch wie Burgfräulein. Das geht nicht, klarer Fall. Fräuleins gibt es ja auch nicht mehr.

Die Treffpunkte in der gebündelten DB in Hammbrook heißen Meeting Points. Daran haben wir uns inzwischen gewöhnt. Komischerweise fragen wir aber immer noch, wo wir uns treffen und nicht – mieten pardon: meeten.

Es gibt aber, was unsere Sprache angeht, noch ganz andere Dinge, die Spaß machen. Dazu gehört ein für mich ganz neues Wort: betalken. Etwas muss betalkt werden.

Ich vermute, das ist mit viel Ironie so notiert worden. Trotzdem frage ich mich, wie Klein Erna – und es gibt viele Klein Ernas – damit zurecht kommt. Sagt sie nun wirklich „betalkt“ oder sagt sie „betookt“?

Manche Sprachspäße sind offenbar ernst gemeint, wie dieser hier: Diktatoriale Vollmachten war heute irgendwo zu lesen. Na so was! Da bleibt mir schlicht die Spucke weg.

Darf ich jetzt endlich meine eigenen Späße loswerden? Ich bitte darum.

Die Annahme, dass jede Worttrennung erlaubt ist, wenn sie nur die Einhaltung einer Textkolumne ermöglicht, führt oft zu den abenteuerlichsten Worttrennungen. Denen möchte ich als Anregung zwei hinzufügen:

Clubur-
laub

Rot-
arier

Das sind zwei wirklich anregende Trennungen, die der Sprachphantasie Flügel verleihen. So lässt es sich vergnüglich durch unsere Sprache zigeunern. „Lustig ist das Zigeunerleben…“ – wenigstens was die Sprache angeht. Aber das Wort Zigeuner steht ja auch auf der Liste der Political Correctness. Gegen diese Diskriminierung der Diskriminierung haben inzwischen einige Zigeuner Einspruch erhoben.

Und was machen wir jetzt? Wir sehen uns beide Seiten der Medaille an und vergessen nicht, dass uns die eine zum Lachen bringt.

Zu dumm! Etwas öses muss ich noch anfügen. Paul Nolte, Historiker und Professor an der Freien Universität Berlin, sagt zum Thema Doktorarbeiten:

„Genau, diesen letzten Halbsatz, den sollte man vielleicht auch mal ganz groß und dick unterstreichen. Dass man das theoretisch lernen soll, das ist auch heute noch so, aber was glauben Sie. Jede zweite Abschlussarbeit, die ich lese, strotzt vor Grammatikfehlern, vor Umgang mit Zitaten, der nicht korrekt ist. Und am Ende schreibt man trotzdem ein Befriedigend darunter, díe Arbeit ist bestanden und dann werden im Gutachten die Fehler vermerkt. Also, da gibt es eine gewisse Kluft.“

So also gehen wir heute mit unserer Sprache um, mit uns selbst und vor allem mit anderen Menschen, die uns und unserem Wissen vertrauen. Das ist ein Skandal.

28. 01. 2013