Donnerstag, Februar 07, 2013

Bitte sprechen Sie deutsch mit mir

Nein, meine Großeltern und Eltern waren nicht bildungsfern. Ich bin es auch nicht. Was heißt eigentlich bildungsfern? Wenn es bildungsfern gibt, müsste es doch auch bildungsnah geben. Das scheint aber nicht so zu sein. Ungebildet, ja, das gibt es. Aber das will heute natürlich niemand sagen. Das wäre ja herabsetzend, diskriminierend. Pfui Teufel!

Worauf ich hinaus will: Mich ärgert zunehmend der hoch- und höchstbürgerliche Jargon, die Gossensprache der vermeintlich Intellektuellen.

Ohne das kleine, möglichst das große Latinum, vom Altgriechischen sei abgesehen, wird es immer schwieriger zu verstehen, was gemeint ist.

Empathisch: mitfühlend. Empathie: Mitgefühl. Na ja, so sprechen wir nicht, aber so schreibt man. Und dann: emphatisch. Ist das ein Schreibfehler? Sieht so aus, ist es aber nicht. Emphatisch meint nachdrücklich, so wie Emphase Nachdruck bedeutet.

Ach ja, zurzeit macht sich die Provenienzforschung breit. Es geht darum, woher Bilder und andere Kunstwerke stammen, die heute in Museen ausgestellt oder in deren Archiven aufbewahrt werden und deren Herkunft nicht bekannt ist, nicht genau jedenfalls. Häufig genug, nein, selten genug wird festgestellt, dass sie Beutegut, das Nazigrößen im „Tausendjährigen Reich“ gerafft, den jüdischen Besitzern entwendet haben. Ein endloses Thema, auf das ich mich hier nicht einlassen kann.

Worauf es mir im Augenblick ankommt, ist die Frage, warum von Provenienzforschung geschrieben und gesprochen wird und nicht von Herkunftsforschung.

Dann kommen immer wieder Themen zur Sprache, die „keine Relevanz“ haben. Wer außer den sprachlichen Gernegroßen spricht und schreibt eigentlich so? Niemand. Es geht um Dinge, die nicht wichtig sind, ohne Bedeutung. So gesagt, versteht das versteht jeder. Vielleicht soll nicht jeder alles verstehen, soll im Dunkeln tappen. Das wäre eine Erklärung. Aber „relevanter“ scheint mir der Dünkel zu sein, der Hochmut, der hier zur Geltung gebracht wird.

Wie auch immer: Der ungebildete Bürger hat da seine Schwierigkeiten.

Ich möchte das, was sich hier immer mehr ausbreitet, Kastendeutsch nennen. Die Politiker, die Manager, die Funktionäre – alle eine Kaste für sich, haben ihre eigene Sprache, eine Sprache, die das ungebildete, das bildungsferne Volk, nicht versteht.

Es muss ja nicht lutherisch-grob sein, aber klar und deutlich – das wäre schon schön.
07. 02. 2013