Freitag, Juli 10, 2009

Der Duden. Oder die doppelte Buchführung

Als ich lesen und schreiben lernte, herrschte der Duden über richtig und falsch. Das ist lange her.

Nicht alles, was der Duden befahl, leuchtete ein, aber er gab eine Richtlinie, an der man sich orientieren konnte. Natürlich war das sehr diktatorisch: Der Duden schrieb vor, wie man zu schreiben hatte.

Ich weiß nicht, was Goethe und Schiller dazu gesagt hätten. Wahrscheinlich nichts. Sie hätten weiter geschrieben wie gewohnt, nach eigener Rechtschreibung. Auch das ist lange her.

Irgendwann haben sich dann die Zeiten geändert. Nein, nicht die Zeiten, sondern die Ansichten.

Als ich in der Schule Aufsätze schreiben musste, kam es nicht nur auf den Inhalt an, sondern auch auf die Form, die Grammatik. Man konnte sich die schönste Schilde-rung durch zu viele Fehler in der Rechtschreibung vermasseln. Wie weit der Inhalt mehr Wert hat als die Form, wie weit die Form, die Grammatik, den Inhalt mindern darf – wer weiß das?

Jedenfalls kam es – ich habe das bei meinen Söhnen erlebt, als sie Schüler waren – zum Tohuwabohu: Der Inhalt entscheidet, die Grammatik ist egal. Rechtschreibung – was ist das?

Darunter leiden wir noch heute.

Natürlich leiden wir unter der Rechtschreibreform, die sich die so genannten Kultusminister unserer Bundesländer ausgedacht hatten. Wer hat sie eigentlich damit beauftragt, unsere Rechtschreibung zu reformieren? Ich kenne keinen vernünfigen Menschen, der das verlangt hat.

Heute aber leiden wir noch mehr unter dem Duden, unter seiner Wankelmütigkeit, seiner Unfähigkeit, sich für dies oder das zu entscheiden. Manchmal tut das richtig weh.

Beispiel: Ich winke. Ich winkte. Ich habe gewinkt. So sieht das auch der Duden. Aber „ich habe gewunken“ lässt der Duden auch zu (in Klammern).

Bisher habe ich mich immer – in Unkenntnis des aktuellen Duden – mit folgendem Beispiel verteidigt:

Wenn schon „gewunken“, dann muss es heißen –„winken, wank, gewunken“. Also: Sie wank ihm zu, als sein Zug den Bahnhof verließ. (Sie wank und winkte nicht.)

Warum das so ist? Es heißt ja auch „stinken, stank, gestunken“. Warum soll das bei winken anders sein? Der Duden gibt darauf keine Antwort.

Nun müsste man das alles nicht allzu ernst nehmen, weil jeder schreibt wie er kann und wie er will. Dumm ist nur, dass auf dem Dudenumschlag steht: Die deutsche Rechtschreibung“. Das ist ganz groß gedruckt.

Klein darunter steht:“ Das umfassende Standardwerk auf der Grundlage der neuen amtlichen Regeln“.

Damit bin ich wieder bei unseren 16 Kultusministern, die mir vorschreiben wollen, wie ich zu schreiben habe. Inzwischen haben wir erfahren, dass so gut wie keiner

von ihnen richtig schreiben kann – jedenfalls nicht nach den von ihnen vorgeschriebenen Regeln.

PS: Nein, ich entschuldige mich nicht für meine hier notierten Gemeinheiten. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich jemand Unrecht getan haben sollte.