Sonntag, Juni 07, 2009

Die Schule als Erziehungsanstalt

„Ein Lehrer aus Nordrhein-Westfalen hat sieben Monate lang den Alltag an seiner Schule protokolliert“ (STERN Nr. 23 von 28. 05. 2009). Ein geradezu unglaublicher Bericht.

Warum sind die Kinder so? So gewaltbereit, gewalttätig, respektlos, dumm – und offenbar noch stolz auf ihre Dummheit? Nein, die Schule ist nicht schuld daran. Sie ist keine Erziehungsanstalt.

Dieses altertümliche Wort wurde auf Schulen angewendet – zu Kaisers Zeiten, in dr Weimarer Republik und auch noch später – als das gar nicht zutraf. Seinerzeit wurde an den Schulen unterrichtet, wurde Wissen vermittelt. Die Strenge, mit der das oft geschah, hat die Bezeichnung Erziehungsanstalt wohl nahe gelegt. In Wirklichkeit wurden Kinder zu Hause erzogen.

Sie wurden zu Folgsamkeit erzogen, auch gegenüber den Lehrern sowie allen Erwachsenen, zu Höflichkeit, Aufmerksamkeit gegenüber älteren Menschen, ( in der Straßenbahn aufstehen und seinen Sitzplatz anzubieten) – kurzum, die Eltern bemühten sich, ihren Kindern den friedlichen Umgang mit anderen Menschen zu vermitteln. Dabei ging es nicht um Duckmäuserei, auch Selbstbewusstsein und sich nicht alles gefallen zu lassen, wurde vermittelt.

Natürlich gelang das nicht immer, und gewiss gab es auch Eltern, die von dieser Art Erziehung nichts hielten. Aber das war nicht die Regel.

Und heute? Unerzogene, nicht erzogene Kinder, zur Erziehung unfähige Eltern, sind auch heute sicherlich nicht die Mehrheit. Aber es gibt zu viele davon. Woran liegt das?

Ein einfältig erscheinendes Sprichwort sagt es: „Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.“

Wir leben im Überfluss. Gut zu leben, kostet uns wenig. Unsere Wünsche und Ansprüche sind größer als das, was wir für ihre Erfüllung bereit sind, zu tun. Gegebenenfalls fliegen wir auf Pump in den Urlaub. Das ist es, was viele Papas und Mamas ihren Kindern vorleben. Der Tanz ums Goldene Kalb.

Was die kulturelle Blutleere im Gehirn angeht: Es muss ja nicht unbedingt Goethe sein, auch nicht Schiller, nicht Böll, Grass und Lenz – schaden würde es nicht. Da könnte man richtig „richtiges Deutsch kennen lernen, vielleicht sogar lernen. Aber immer nur „Deutschland sucht den Superstar“, „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ und „Festival der Volksmusik“ (die keine ist)?

Ergebnis: „Ilia, 14, versteht nicht, warum sie „Kind“ groß schreiben muss; sie kann das Wort nicht der Gruppe der Lebewesen zuordnen.“ (Zitat STERN 23/2009, Seite 224 „Kampfplatz Hauptschule“).

Fortsetzung aus STERN „23/2009, Seite 126: „Wunsch und Wirklichkeit“. Arbeitsbedingungen in Kindergärten und Kitas – Vergleich Finnland / Deutschland.

Frau Rippert für Deutschland: „Die Arbeitsbelastung ist immens gestiegen. Wir haben nicht nur mit der wachsenden Kinderarmut und Vernachlässigung zu kämpfen. Da sind die vielen Trennungsfamilien und Migrantenkinder, die unsicheren Eltern. Und nicht zuletzt das Fernsehen: Wenn die Kinder montagmorgens zu uns kommen, sind sie wie durchgedreht. Hinzu kommt – typisch deutsch – die wachsende Bürokratie.“

(Forderung nach frühkindlicher Bildung), Frau Rippert: „Ja. Zusätzlich zum „normalen“ Betrieb solle wir jetzt noch anspruchsvolle Bildungspläne umsetzen, Beobachtungsbögen ausfüllen und für jedes Kind einen Entwicklungsplan erstellen – das alles, ohne auch nur eine Erzieherin mehr bekommen zu haben. Das macht klar: In die Bildung und Entwicklung unserer Kleinsten wird nicht genügend investiert…“

„Der finnische Staat gibt 6,3 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Bildung aus, der deutsche nur 4,5 Prozent.“

Fazit: Die Armut der Zukunft kommt von der pauvreté heute. Armes Deutschland!